Nashira
davon?«, fragte Saiph erschreckt.
»Alle wissen, dass du und deine Herrin euch gut versteht.
Man sieht es. Und die wissen es auch«, fügte er hinzu und zeigte auf die Kombattantin. »Du musst auf der Hut sein.«
Die Kombattantin stieß den Stock auf den Boden, das Zeichen, dass nun absolute Ruhe zu herrschen hatte. Der Alte legte den Kopf in die Ellbogenbeuge, und Saiph tat es ihm nach: Für heute hatte er genug erlebt. Und nach kurzer Zeit fiel er in einen tiefen Schlaf.
10
N och bevor die beiden Sonnen am Himmel ganz aufgegangen waren, erwachte Talitha. Ein rosafarbenes, gedämpftes Licht fiel durch die Glasdecke und erfüllte den Raum. Geweckt hatte sie das Geräusch der Türklinke, die jemand hinunterdrückte. Langsam öffnete sich die Tür, und das Gesicht einer jungen Femtitin erschien. Sie hatte große, längliche Augen von der Farbe matten Goldes, das in einen Braunton überging. Ihre Haare waren hellgrün, glatt, und reichten ihr knapp bis über die Ohren. Talitha schätzte, dass sie kaum älter war als sie selbst war.
»Herrin? Ich bin Mantes, und mir wurde befohlen, mich um Euch zu kümmern. Es ist Zeit aufzustehen«, sagte sie leise.
Talitha ließ es wortlos geschehen, dass das Mädchen sie ankleidete und für das Frühstück fertig machte.
»Erwartet Saiph mich im Refektorium?«, fragte sie, als sie gerade den Raum verlassen wollten.
»Nein, Herrin, Schwester Dorothea hat mir gesagt, dass es ihm heute nicht gestattet ist, Euch beim Frühstück zu sehen.«
Sie fuhr herum. »Was soll das? Bring mich augenblicklich zu ihm. Ist ihm etwas zugestoßen?«
Erschrocken wich Mantes einen Schritt zurück. »Nein, Herrin, es geht ihm gut, es geht ihm wirklich gut, ich habe vorhin noch mit ihm gesprochen!«
Talitha war außer sich. Es geht ihm gut, es geht ihm gut... Wie sollte es ihm denn gut gehen nach den Schlägen? Aber dieses Mädchen war die Nächste, die den Strafstock zu spüren bekäme, wenn sie jetzt Probleme machte ...
Sie schaute Mantes einige Augenblicke lang an und beschloss dann, ihr Ärger zu ersparen. Ohne weiteres Wort trat sie zur Tür. Die Sklavin seufzte erleichtert und folgte ihr.
Die Luft draußen war kühl, sehr viel kühler als in Messe um diese Tageszeit. Zudem lag in ihr ein bestimmter Geruch, der Talitha ganz fremd war, und so nahe an dem mächtigen Luftkristall war sie auch gesättigter, was sie nicht sonderlich gut vertrug. Sie hatte am Abend bereits leichte Kopfschmerzen gehabt, diese aber auf ihre Erschöpfung geschoben. Allerdings waren sie immer noch nicht verschwunden.
Mantes führte sie zum Tempel, wo gerade die Priesterinnen zusammenkamen. Wieder fielen Talitha zwei Kombattantinnen auf.
Verdammt, die sind aber auch überall ...
Sie blieb stehen, um den Tempel genauer zu betrachten: Bisher hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, ihn von innen zu sehen, und trotz ihres Hasses auf das Kloster war sie doch fasziniert von der Schönheit und der fantasievollen Eleganz seiner Gebäude.
Zwei Eingangspforten begrenzten eine kleine Vorhalle, deren Basreliefs mit vielfach gewundenen Blumenmustern dekoriert waren. Durch die zweite Pforte gelangte man in den eigentlichen Tempel. Der halbkreisförmige Raum war durch sehr hohe Säulen unterteilt, die Pflanzenstängel darstellten und sich nach oben hin verjüngten; in der Mitte hielt jeweils ein Band sie zusammen. Die Säulen trugen ein Gewölbe, deren spitze Felder mit je einer Blume mit einem
dunklen Rund in der Mitte ausgemalt waren. Man meinte, auf eine bunt blühende Wiese zu schauen.
Weiter im Inneren bemerkte man, dass die Säulen gleich unter der Glaskuppel einen langen Balkon trugen. Dort oben erkannte Talitha die Kleine Mutter und die anderen ranghohen Priesterinnen. Doch ihr Blick blieb nicht lange an ihnen hängen, sondern richtete sich auf die Kuppel, die ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie bestand ganz aus Glas und war mit einem herrlichen Reigen ineinanderverschlungener Pflanzen und Blumen verziert, die ein großes Bild in der Mitte umrahmten. Vor dem Hintergrund eines tiefblauen, von Wolken durchzogenen Himmels hob sich eine Frau mit sehr weiblichen Hüften und nackten Armen ab. Die Weichheit ihrer Formen war fast mit Händen zu greifen. An ihren Schultern, die bernsteinfarben und fast durchscheinend waren, setzten große, hauchdünne Flügel an. Ihr Haar war wie das der Novizinnen im Nacken zu einem Knoten zusammengefasst. Auf den Armen, die aus dem ärmellosen Gewand hervorragten, trug sie zwei kunterbunte
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