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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Material.«
    »Halt die Klappe«, sagte Friedel böse. »Und hör auf, so zu tun, als würde dir nichts etwas ausmachen.«
    Als sie die Ulrichstraße hinter sich ließen, saßen auf dem Dach des Hauses Nummer drei nur noch Kater Carlo und Thierry, denen Svenja eilig erklärt hatte, wohin sie fuhren. Kater Carlo hob die weiße Tischdecke und winkte damit. Viel Glück.
     
    Im Wartezimmer am Europaplatz zwei saßen Kreisläufe und Blutdrücke, Übergewichte und Zuckereinstellungen und blätterten sich durch bunte Hochglanzlösungen für keine Probleme.
    Als Friedel, Katleen und Svenja hereinkamen, ließen sie die Zeitschriften sinken.
    Svenja blieb mit Nashville mitten im Raum stehen, weil es keinen Platz mehr gab. Katleen und Friedel stellten sich neben sie wie Bodyguards, die sie notfalls gegen dumme Bemerkungen verteidigen würden.
    Es kamen aber keine dummen Bemerkungen. Die Leute zogen sich lautlos in ihre Gesichter zurück und begannen, mit ihren Blicken kleine unsichtbare Schutzschilde aus Angst zu häkeln. Das da, das Zerzauste, Verletzte, Dreckige auf Svenjas Arm, bedrohte ihre Kehrwochen und Spitzengardinen. Das war etwas, das man besser mit einer sorgfältig polierten Grillzange von sich fernhielt.
    Die Sprechstundenhilfe, weiß und sauber, sagte Worte zur Tür herein: »Frau Habermann bitt…« Sie brach ab, sah Svenja an, sah Nashville an – und Svenja dachte, sie würde etwas Missbilligendes sagen.
    »Kommt mit«, sagte sie, und zu den Übrigen: »Sie werden sich ein wenig gedulden müssen.«
     
    Doktor Schmidt war jung. Er saß hinter seiner Brille und sah zuerst nur Svenja.
    »Wir sollen Sie von Gunnar Holzen grüßen«, sagte Svenja.
    »Holzen«, sagte Schmidt. »Ja, lange her, dass wir zusammen studiert haben, wie geht es ihm denn? Was …?«
    Svenja setzte Nashville auf der Untersuchungsliege ab. Er hatte die Augen jetzt wieder einen Spaltbreit geöffnet, er war wach, aber er sagte nichts. Schmidt stand sehr abrupt von seinem Stuhl auf.
    Er schien nach einer Frage zu suchen. Er war nicht halb so sachlich und vernünftig wie Gunnar.
    »Er ist zusammengeschlagen worden«, sagte Katleen. »Und er hat keine Papiere. Er existiert nicht. Deshalb hat Gunnar Holzen uns zu Ihnen geschickt, er meinte, zu Ihnen könnten wir gehen.«
    »Ich … ja«, sagte Schmidt, und man sah, wie er schluckte. »Ich habe gewöhnlich nicht … Wie alt ist er denn?«
    »Zehn oder elf«, sagte Svenja. »Schätzen wir. Vielleicht auch erst neun.«
    »Aber …«
    Katleen legte Schmidt ihre Hand auf die Schulter, und Svenja sah, wie fest sie zupackte.
»Machen Sie was.«
    »Natürlich«, sagte Schmidt.
    Und zu Svenja, mit leisem Ärger: »Pfeif deinen Wachhund zurück.«
    Seine Finger wanderten langsam über Nashvilles Kopf, sein Gesicht, seinen Oberkörper. Kleidung wurde ausgezogen, Svenja erzählte von den Tritten. Kaltes Ultraschallgel wurde aus einer Tube gedrückt, der Schallkopf tastete sich über Nashvilles Bauch.
    Keine freie Flüssigkeit. Gut, gut.
    Svenja hielt Nashvilles Hand, die heile. Zwischen ihren beiden Händen hing die Glaskette.
    Die Sprechstundenhilfe pinselte Jod auf Schürfwunden und klebte Pflaster. Sie summte die ganze Zeit ein Kinderlied, sie summte es nicht für Nashville, der zu alt für solche Dinge war, sondern für sich selbst. Schließlich sah sich Schmidt die Lippe und die aufgeplatzte Augenbraue an und pfiff durch die Zähne.
    »Das sieht ja scheiße aus«, sagte er aufrichtig. Und dann nähte er. Er nähte ohne Betäubung, da die Betäubungsspritzen genauso wehgetan hätten, sagte er, wie die paar Stiche. Nashvilles Nägel gruben sich schmerzhaft in Svenjas Hand, aber er gab keinen Laut von sich. Nur die Kette fiel mit einem leisen Klirren zu Boden. Die Nadel war halbkreisförmig und sah gar nicht aus wie eine Nadel. Man musste sie mit der Pinzette halten. Eines Tages würde sie mit so einer Nadel Wunden nähen, dachte Svenja.
    Schmidt untersuchte die andere Hand. »Kein Bruch wahrscheinlich«, sagte er. Aber Sie müssten zu einem Unfallchirurgen …
    Nein.
    Und er solle unter Beobachtung bleiben, falls es eine innere Blutung im Schädel gebe …
    Ja.
    Schließlich wandte sich Schmidt an Svenja. »Ihr wisst, dass ich das eigentlich melden muss«, sagte er. »Wie heißt er überhaupt?«
    »Nashville«, sagte Katleen.
    »Nashville – weiter?«
    »Nichts weiter.«
    Schmidt seufzte. »Was Gunnar gesagt hat … das ist alles schön und gut, aber … Ich weiß nicht, wer ihr seid. Ich weiß

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