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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Mensakeller, weil er kann nachdenken besser mit Musik und wenn er trinkt. Tags er schläft nur. Und manchmal er weiß nicht mehr, wo er ist gegangen nachts. Immer er sagt, er muss denken, denken, aber was muss er denken? Man macht Studium oder nicht. Man ist verliebt oder nicht. Ende.« Er zuckte die Schultern. »Du solltest reden mit ihn. Kann ich ihn sagen, dass du wohnst hier?«
    Sie zögerte. »Nein, ich … können wir uns nicht treffen? Weißt du was, schick ihn zum …
Ammerschlag
. Heute Abend um acht. Ich bin sowieso da.«
    Kater Carlo nickte. Dann sah er Nashville an. »Mit dir ist alles okay?«
    »Er hat wieder aufgehört zu reden«, sagte Svenja.
    Nashville nahm das Akkordeon und begann, ein paar Töne zu spielen.
    »Ach, die alte
Lili Marleen
«, sagte Kater Carlo. »Hab ein bisschen vermisst das Melodie.« Er tippte sich an die nicht vorhandene Mütze. »Ich schicke Friedel zu
Ammerschlag

     
    Um Viertel vor acht wachte Svenja auf. Sie war über ihren Büchern eingeschlafen.
    Nashville saß nicht mehr auf der Bank. Sie sah im Bügelzimmer nach, doch auch dort war er nicht. Am Morgen hatte er die Messer auf dem Kopfkissen geordnet. Jetzt waren sie verschwunden. Sie sah im Bad und in der Küche nach und, ganz am Ende, in Gunnars Schlafzimmer.
    In der Mitte des Doppelbetts wartete das Akkordeon. Daneben warteten Worte. Nashville hatte sie mit rotem Filzstift auf die makellos weiße Bettdecke geschrieben.
    Nim es
, las Svenja.
Hof es helf dia.
    Svenja lächelte. »Aber wo bist du?«, flüsterte sie. »Du sollst doch nicht alleine da draußen herumrennen, wenn es dunkel ist.« Sie sah sich noch einmal im Schlafzimmer um, das so kahl war, als würde es nie benutzt, höchstens vielleicht zum Schlafen. Dann nahm sie das Akkordeon und ging.
     
    Der
Ammerschlag
lag in derselben Gasse wie der
Storchen
, nur war er kleiner und besaß keinen zweiten Stock.
    Svenja stellte sich auf das Brett, das über den Kanal führte, und blickte ins Wasser hinab.
    Wenn sie die Augen zusammenkniff, wurde der kleine Kanal zum Fluss, wurde zum Neckar, und sie sah einen Körper darin treiben, auf das Wehr zu. Den Jungen zwischen den Zeilen. Sie hatte mit ihm im
Storchen
gesessen, vor einer Million Jahren. Er würde nie wieder dort sitzen. Und Nancy, Nancy war verschwunden.
    Die bankblaue Stimmung aus Oleanderblüten und Hoffnungen ertrank im Ammerkanal. Es regnete wieder.
    Alles war gut, ja? Nichts war gut.
    »Svenja?« Sie sah auf. Es war nicht Friedel. Es war Nils.
    »Lässt du dich hier draußen einregnen, oder was?«, fragte er.
    »Ich warte auf jemanden.« Das sagten sie alle, dachte sie, alle, die an Ecken herumstehen und kein Zuhause hatten.
    »Komm mit rein und warte drinnen.« Nils legte einen Arm um ihre Schultern, aber sie schüttelte den Arm ab. Trotzdem folgte sie ihm in den
Ammerschlag
. Es war trockener dort. Sie ließ sich von Nils auf einen Stuhl drücken und zog die nasse Jacke aus.
    »Du wohnst jetzt bei Gunnar Holzen, hört man?«
    »Hört man das?«, fragte Svenja.
    »Julietta hat es erzählt.«
    »Oh. Dann hat er es ihr gesagt.« Irgendwie enttäuschte sie das, sie hatte gehofft, es wäre eine Art Geheimnis. »Ich wohne also da mit meinem Sohn«, sagte sie.
    Nils nickte. Dann kniff er die Augen zusammen, beugte sich ein wenig über den Tisch und sah sie an. »Was hast du vor, Svenja?«
    »Ich? Nichts. Nur eine Weile da wohnen, bis sich die Dinge geregelt haben … Und dann heiratet Gunnar Julietta, und sie gründen eine perfekte Familie und bekommen lauter Babys mit fleckenlos weißen Strampelanzügen.«
    »Ach!« Nils schnaubte. »Soll ich dir was sagen?«
    »Was denn?«, fragte Svenja, doch in diesem Moment entdeckte sie Friedel und winkte, und Friedel winkte von der Tür her zurück.
    »Gunnar Holzen kann gar nicht heiraten«, sagte Nils. »Er ist schon verheiratet. Aber deine Verabredung ist da.« Er nickte ihr noch einmal zu, stand auf und tauchte ins Gedränge an der Bar ein. Svenja starrte ihm nach und schüttelte den Kopf.
    Gunnar Holzen ist schon … Wie bitte?
    Friedel war völlig außer Atem, als er auf die Holzbank ihr gegenüber fiel.
    »Svenja«, sagte er und musterte sie einen Moment lang eingehend. »Du bist dünn geworden. Es ist doch gar nicht so lange her, seit wir uns gesehen haben …«
    »Nur zehn Jahre«, sagte Svenja. »Ich … ich habe damals nichts gefunden. Zum Wohnen. Nashville hat mir gezeigt, was man macht, wenn man nichts findet. Hast du schon mal unter einer Brücke

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