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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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beinahe … oder ein Geruch. Sie schlief.
     
    Der Morgen begann mit dem Geruch nach frischen Brötchen.
    Es war natürlich ein Traum.
    Kein Morgen beginnt mit dem Geruch nach frischen Brötchen.
    Svenja öffnete die Augen vorsichtig und ließ ihren Blick durch den Raum streifen: ein Bügelbrett. Ein Stapel frisch gebügelter Wäsche auf einem Klappstuhl. Pappkartons. Ein ungebügeltes Hemd, blau und weiß gestreift, das über der Ecke des Bügelbretts hing.
    Sie lächelte über dieses eine ungebügelte Hemd.
    »Gunnar«, flüsterte sie und erinnerte sich, wo sie war. Sie stand auf und ging barfuß zu dem Hemd hinüber, hob eine Ecke und legte ihre Wange daran. Es war sehr weich.
    Svenja fand ihren Rucksack neben dem Bett und zog sich an. Nashville war nirgends zu sehen. Sie putzte sich in dem kleinen Bad die Zähne, nickte ihrem veränderten Spiegelbild zu und ging in die Küche.
    Die Brötchen standen tatsächlich in einem Korb auf dem Tisch. Gunnar hatte ein Handtuch in den Hosenbund gesteckt und wendete ein Omelette. Das Handtuch war so überflüssig wie der Brotkorb: Zeichen einer ganz anderen Zivilisation als der im Haus Nummer drei. Auf dem Tisch stand eine Kanne Kaffee.
    »Wo ist er?«, fragte Svenja. Sie hörte die Panik in ihrer eigenen Stimme.
    Gunnar lächelte und nickte zu einer Ecke hin, in der ein Schrank stand. Dort oben saß Nashville, das Akkordeon im Arm. Er passte, geduckt, gerade so in den Raum zwischen Schrank und Decke. Seine dunklen Augen verfolgten jede Bewegung in der Küche. Sie warf Worte zu ihm hinauf: »Ist alles okay? Bist du schon lange wach?«
    Er antwortete nicht.
    »Guten Morgen übrigens«, sagte Gunnar. »Ich glaube, du wolltest mir ein paar Dinge erzählen.«
    »Und … Nashville …?«
    Gunnar zuckte mit den Schultern. »Er wird runterkommen, wenn er hungrig ist.«
    Der Kaffee schwamm in weißen Tassen mit blauen Rändern, und das Morgenlicht fiel auf den Tisch, und Gunnars winzige Sommersprossen warteten alle auf Svenjas Geschichte. Sie setzte sich und beschloss, einen Moment lang nicht besorgt zu sein wegen Nashville-auf-dem Schrank.
    Und erzählte.
    Von den Gesichtern der Leute, die vorübergingen, und vom Hunger, der die Farbe des Himmels veränderte. Vom Halbrund der Brücke. Von ihrer Angst. Von dem Kuss, den es nie gegeben haben durfte, sprach sie nicht. Sie sah Gunnar an, während sie erzählte, sah die Schrammen zwischen den Sommersprossen und die blau unterlaufene Bisswunde auf seiner Wange. Unter seinen Augen lagen die gleichen müden Schatten wie stets, aber sie waren noch ernster geworden.
    Als Svenja mit ihrer Erzählung am Ende war, saß Nashville am Tisch. Er legte ein Stück Omelette auf ein Brötchen, und beides verschwand mit ähnlicher Geschwindigkeit wie die Nudeln an Svenjas allererstem Tag mit ihm.
    »Svenja«, sagte Gunnar sehr ernst. »Ihr dürft da nicht noch mal nachts rausgehen.«
    »Ich …«
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte Gunnar, streckte die Hand nach ihr aus – ließ sie dann aber sinken, ehe er sie berührt hatte. »Du denkst, dass es notwendig ist, diesen Typen zu finden. Dass die Polizei es nicht kann. Aber …«
    »Ich gehe nicht zu denen. Du weißt das.«
    »Ja. Ich weiß das.« Er lächelte ein beinahe unsichtbares Lächeln. »Aber warum muss Nashville der Köder sein?« Er sah Nashville an.
    Nashville schwieg.
    »Habt ihr denn das Offensichtlichste übersehen?«, fragte Gunnar. Er stand auf, ging zum Schrank hinüber und hob etwas auf. Das Akkordeon. Nashville zuckte zusammen, als wollte er es an sich reißen. Doch er blieb sitzen und sah zu, wie Gunnar mit seinen zerkratzten, zerbissenen Händen über die Knöpfe und Tasten strich.
    Und Svenja fand etwas in Nashvilles Augen, das sie niemals dort vermutet hätte: Respekt.
    Respekt für Gunnar, der ihn eingefangen hatte und der stärker war als er.
    »Das Akkordeon ist das auffälligste Merkmal, das du hast«, sagte Gunnar zu ihm. »Auffälliger als du selbst. Wir müssen nur nachts hinausgehen und das Akkordeon mitnehmen. So tun, als wärst du dort. Ein paar Decken können ein Kinderkörper sein. Und dann müssen wir uns hinsetzen und warten. Vielleicht müssen wir viele Nächte warten, vielleicht Wochen. Irgendwann wird er kommen. Dein Mörder. Aber während wir warten …« Er sah zu Svenja. »Während wir warten, kann Nashville drüben im Gästebett schlafen.«
    »Wir«
, wiederholte Svenja. Ihre Stimme war flach wie das Messer, mit dem Gunnar jetzt noch ein Brötchen

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