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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Er … Svenja, er hat Nashville gesehen. Vor zwei Wochen.« Sie sprach die Worte des Panflöters langsam und deutlich, jedes einzeln. Eine zuverlässige Informationsübermittlerin. »Und er denkt, er weiß, wo Nashville ist und wer ihn dorthin gebracht hat.«
    Das Ende aller Dinge, der Herbst, das Licht zerbrachen mit einem einzigen lautlosen Klirren. Svenja packte Katleen am Arm. Ihr Herz befand sich auf einer Rennstrecke. Nirgends war mehr Platz für Melancholie. Da waren nur noch zwei Dinge: panische Angst und grellgelbe Hoffnung.
    »Dorthin gebracht?«
, fragte sie. »Er versteckt sich nicht, sondern jemand hat ihn irgendwo
hingebracht
? Ist er hier, in der Stadt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Katleen und wand sich aus Svenjas Griff. »Das hat er nicht gesagt. Er wollte nur mit dir sprechen. Vielleicht weiß er noch mehr. Es klang so, als wüsste er eine Menge Dinge, die er loswerden müsste. Ich glaube, er hat lange darüber nachgedacht, ob er sie jemandem sagen soll. Er hat Angst, Svenja. Richtige Angst. Geh hin, aber komm nicht zu spät. Er hat zu viel Angst, um lange zu warten, schätze ich. Und – Svenja? Sag keinem etwas davon, ja? Nur du und ich wissen, dass dieser Mann heute Abend um halb elf in der Unterführung wartet.«
    Svenja nickte. »Kommst du mit?«
    »Nein. Er hat gesagt, du sollst alleine kommen. Und ich habe eine Verabredung.«
    Damit drehte sie sich um und ging. Eilig. Sie rannte beinahe.

18 Steine
    Komm nicht zu spät. Halb elf. Die Unterführung an der Bahn.
Die Worte verfolgten sie den ganzen Tag über.
    Sie konnte sich auf nichts konzentrieren. Sie besuchte ihre Kurse, ohne zuzuhören. Sie riss ihre Zeit im
Contigo
ab, ohne aufzupassen, und verrechnete sich beim Geldherausgeben jedes Mal. Beinahe verkaufte sie ein Paket Kaffee für neunzig Euro statt für neun. Fair gehandelter Kaffee ist eben teuer.
    KOMM .
NICHT .
ZU .
SPÄT .
    Um acht war sie zu Hause. Gunnar war nicht da. Sie hatte seit Langem einen Schlüssel, und als sie ihn ansah, schlich sich das Endgefühl wieder ein. Ich werde diesen Schlüssel abgeben, bald … Werden sie nach der Hochzeit zu zweit hier wohnen?
    Sie legte sich aufs Bett und verscheuchte die Zeit. Es dauerte ewig, bis die Minuten sich endlich davontrollten. Schließlich wurde es neun, und die Sekunden flossen zäh weiter bis zehn …
    Fünf nach zehn.
    Sie ging noch einmal auf die Toilette. In dieser Tür hatte Nashville gestanden und sie mit seinem Dunkelblick angesehen.
Ich liebe dich, Svenja.
Mein Gott, er war vielleicht nicht mal elf.
    »Ich habe Angst, Nashville«, flüsterte sie. »Ich habe Angst vor dem, was mir der Pole zu sagen hat. Über dich und über die Messer. Vielleicht sollte ich gar nicht hingehen.«
    Sie schloss die Wohnung ab und setzte sich auf die Bank, auf der es keine Augentautropfen mehr gab, die Bank war über den Tag ausgetrocknet und blind geworden.
    Und wenn sie nicht hinging?, dachte Svenja. Wenn sie es einfach nicht tat?
    KOMM .
NICHT .
ZU .
SPÄT .
    Sie wünschte, sie hätte Gunnar fragen können, was sie tun sollte. Vielleicht war ja auch alles Unsinn. Vielleicht hoffte der polnische Peruaner nur, irgendwie Geld aus ihr herauszubekommen.
    KOMM .
NICHT .
ZU .
    »Hey, Svenja«, sagte jemand vor der Terrasse, stieg von einem Fahrrad und kam die Stufen hoch. Thierry.
    »Was machst du denn hier? Ich muss los, eigentlich. Ich …«
    »Wohin?«, fragte Thierry.
    »Ach …«
Sag keinem etwas.
»Nur eine Verabredung in der Stadt …«
    »Das Problem ist«, sagte Thierry, »mein Rad hat einen Platten. Und da ich gerade hier war, dachte ich, du hast vielleicht Flickzeug?«
    »Ich fürchte, nein. Hatte ich nie. Ich sollte jetzt …«
    »Vielleicht hat Gunnar was, was man leihen könnte? Ich muss sonst den ganzen Weg raus zur Bauwagensiedlung schieben.«
    KOMM .
NICHT .
    Sie riss die Küchenschubladen auf, öffnete den Schrank – irgendwo hatte jeder vernünftige Mensch Fahrradflickzeug. Im Flur gab es ein Utensilo an der Wand, so ein Hängeding mit tausend kleinen Taschen für tausend kleine Dinge: Taschenlampe. Schnur. Tesafilm. Ihre Finger flogen. Sie fand zwei alte Katzenaugen für Fahrradspeichen. Kein Flickzeug.
    »Hör mal, Thierry, ich kann jetzt wirklich nicht weitersuchen«, sagte sie. »Kannst du nicht bei Katleen vorbeigehen?«
    Thierry zuckte die Schultern. »Schon. Ist noch ein ganzes Stück bis zu Katleen … Kann ich mein Rad hier stehen lassen? Kann man das irgendwo anschließen?«
    Svenja hob die Arme. »Ich

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