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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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saßen auf dem Fußboden, dicht beieinander, der Junge zwischen den Zeilen stand am Fenster, wie um notfalls fliehen zu können. Nancy sah in Gunnars Gesicht, als wäre es das eines Engels.
    »Sie haben Glück gehabt«, sagte Gunnar schließlich. »Es ist kein wirklich tiefer Schnitt dabei. Alles oberflächlich, nur Haut und Muskeln. Am einen Arm ist ein größeres Gefäß angeritzt, Sie haben vermutlich eine Menge Blut verloren, aber jetzt steht die Blutung.«
    »Ich hab den Arm immer festgehalten und gedrückt«, flüsterte Nancy.
    Gunnar nickte. »Wichtig ist, dass die Wunde nicht wieder aufgeht und dass sich nichts infiziert. Ich würde Sie gerne ins Krankenhaus bringen, damit Sie eine Weile unter Beobachtung bleiben.«
    Nancy schüttelte den Kopf.
    »Geh mit«, sagte der Junge zwischen den Zeilen.
    Nancy schüttelte den Kopf noch einmal.
    »Schön«, sagte Gunnar, unterdrückten Ärger in der Stimme. »Kann sie eine Weile hierbleiben?«
    »Nur bis morgen früh«, sagte Svenja. »Dann muss ich aus der Wohnung raus.« In ihrem Kopf tauchte die unsinnige Vorstellung auf, wie sie Nancy in einen Möbelwagen lud und sie hochkant zwischen Stühlen und Tischen zum Haus Nummer drei transportierte. Natürlich hatte sie keine Tische und Stühle …
    »Mal sehen«, sagte Nancy vage.
    Gunnar trat ans Fenster und stand einen Moment lang neben dem Jungen zwischen den Zeilen. Sie waren gleich groß, doch der Junge zwischen den Zeilen wirkte neben Gunnar, als könnte die nächste Windböe ihn mitnehmen, seine Verbindung mit der Erde schien lose, er hatte kaum Gewicht, auch nicht gedanklich. Gunnar stand fest auf der Erde, mit beiden Beinen.
    Schließlich drehte er sich um und verschränkte die Arme.
    »So«, sagte er, atmete tief ein und wieder aus. »Was genau ist geschehen?«
    »Sie sagt, sie hat nicht viel gesehen«, sagte der Junge zwischen den Zeilen. »Es war zu dunkel. Sie hat im botanischen Garten geschlafen, oben, bei den Kliniken, ziemlich weit draußen. Es gab Streit, mit Nancy gibt es schon mal Streit, und sie ist gegangen, um alleine zu schlafen, da war es schon spät …«
    »Sei still, ich kann für mich selber reden«, flüsterte Nancy, und Gunnar kniete sich noch einmal neben sie.
    »Ich … ich hab schon so ein Gefühl gehabt«, sagte sie leise, »als ich von der großen Straße weg und in den Park rein bin. Aber dann dachte ich, das bildest du dir ein, und ich hab mich hingelegt, unter einen Busch, aber das ging nicht lange, da waren die Schritte da. Ich also hoch, total dunkel alles, gibt ja keine Laternen da, und dann steht der vor mir und versucht, mich festzuhalten, aber ich hab mich gewehrt, und er hatte ein Messer, und ich hatte die Arme vor mir, und dann hab ich geschrien. Obwohl ich nicht dachte, dass mich einer hört, ist ja total einsam da oben, nur manchmal kommen sie und gehen spazieren, die da in der Klink sind auf der anderen Straßenseite … Sind Sie da auch? In einer von den Kliniken?«
    Gunnar schüttelte den Kopf. »Ich arbeite ganz oben auf dem Berg, noch ein Stück weiter rauf.«
    »Aber den Park, den kennen Sie, oder? Da ist so ’ne Mensa, ganz neu, da geben einem die Studenten manchmal was, ist richtig schick dort, weißer Kies vorne mit Kirschbäumen, die dadrin wachsen. Wenn die Kirschen runterfallen, Rot auf Weiß, ist ja fast wie so Tropfen von Blut, was? Ich bin gar nicht so nah an der Mensa dran gewesen, aber wie ich geschrien hab, ist trotzdem einer gekommen, Schritte sind gekommen, und da ist der Typ mit dem Messer abgehauen. Die sind dann an mir vorbei, die mit den Schritten, aber die haben mich nicht gesehen, und ich hab, glaub ich, auch nicht mehr geschrien, mir war ganz komisch, sicher wegen dem Blut, was ich verloren hab, und ich hab dann geschlafen, bis er mich gefunden hat.« Sie deutete auf den Jungen zwischen den Zeilen.
    »Und der mit dem Messer, der hat nichts gesagt?«, fragte Gunnar. »An der Stimme könnte man ihn vielleicht erkennen.«
    »Mir klar«, flüsterte Nancy, müde jetzt. »Aber er hat nichts gesagt, da kann ich nichts dran ändern.«
    »Und war es auf jeden Fall ein Mann? Oder eine Frau? Klein, groß? Dick, dünn?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Nancy. »Normal, denk ich.«
    »Lange oder kurze Haare?«, fragte Svenja.
    Nancy zuckte die Schultern. »Kann ich nicht sagen. Viel zu dunkel.«
    »Das heißt«, sagte Gunnar, »wir wissen immer noch nicht mehr. Hören Sie, in einem Krankenhaus wären Sie auch sicherer. Falls er noch mal wiederkommt.«
    »Ich

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