Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
legte auf. Katleen. Katleens Existenz hatte sie völlig vergessen.
    »Ein Fenster«, flüsterte sie vor sich hin. »Er ist durch ein gesplittertes Fenster geklettert, mehr nicht. Chaot, ja.« Sie ertappte sich bei einem Lächeln. Dann legte sie sich endlich ins Bett und schlief.
     
    Am nächsten Morgen saß Nashville am Küchentisch, als sie hereinkam. Er hatte Kaffee gemacht, Kaffee und Rühreier.
    »Die anderen sind weg«, sagte er.
    »Wohin?«, fragte Svenja.
    Er antwortete nicht. Er sah zu, wie sie Kaffee trank.
    Dann holte er tief Luft. »Svenja … gestern«, sagte er. »Was hast du gesagt, über das Haus Nummer drei?«
    »Oh, das Haus Nummer drei.« Sie lächelte. »Sie haben noch Platz dort. Im Dachgeschoss. Ist das nicht wunderbar?«
    Nashville nickte. Er hob das Akkordeon vom Fußboden auf, wo es gesessen hatte wie ein Hund, und stellte es auf seine Knie. So sah er sie an, hinter dem Schutzschild der verborgenen Töne.
    »Wenn du ins Haus Nummer drei ziehst …«, begann er. »Kann ich mit?«
    Da ging sie hinüber und legte ihre Arme um ihn, trotz des Akkordeons, das im Weg war. Er hatte wirklich gedacht, sie wäre noch immer sauer auf ihn.
    »Lass uns packen«, sagte sie.
     
    Das Haus Nummer drei erwartete sie mit offener Vordertür.
    Friedel lehnte im Rahmen und sah ihnen entgegen.
    »Nachts Kater Carlo anrufen«, sagte er kopfschüttelnd. »Nur weil du mir nicht traust.«
    Svenja blieb auf der Treppe stehen. »Beginnen wir unser Zusammenleben mit einem Streit?«
    »Nein«, sagte Friedel und trat beiseite, damit sie durchkonnte. »Ihr wohnt oben unter dem Dach. Kommt mit. Es ist wirklich ein schönes Zimmer.«
    Es
war
wirklich schön.
    Die hölzerne Innentreppe knarzte ein freundliches Willkommen, irgendwo fehlte eine Stufe, und dann betraten sie einen großen, lichten Raum mit schrägen Wänden und vier Fenstern. Staubkörner spielten im schräg einfallenden Sonnenlicht. Auf dem Fensterbrett stand eine der hauseigenen Flaschenkerzen und – tatsächlich – ein Blumenstrauß. Akeleien, violett und weiß.
    »Die Blumen sind aus dem Garten meiner Großmutter«, sagte Friedel von der Tür her. Er schien sich heute vor allem in Türrahmen aufzuhalten. »Ich war heute Morgen da …«
    »Sie sind schön«, sagte Svenja.
    Nashville fuhr mit der Hand über eines der beiden Möbelstücke im Raum: ein großes, altes Doppelbett, wurmzerfressene Rustikalität. »Haben wir mit dem Haus übernommen«, sagte Friedel. »Keine Angst, die Kissen sind gewaschen.«
    Nashville ging in die Knie, um unter das Holzungetüm zu sehen, und Svenja kniete sich neben ihn. Die alten Bettfedern ragten an manchen Stellen gefährlich in den dunklen Raum.
    »Sieht aus, als müsstest du auf dem Bett schlafen, Nashville«, sagte Svenja. »Dieses ist wenigstens breit genug.«
    Nashville strich über eines der Kissen, ging zum zweiten Möbelstück im Raum – einem ähnlich wurmzerfressenen Bauernschrank mit leicht misslungener Blumenbemalung –, stieg hinein und schloss die Türen. Sekunden später tropften die Töne von
Lili Marleen
durch die Ritzen.
    »Svenja …« Friedel räusperte sich. »Die Beerdigung von Sirja, der Löwin, ist heute Nachmittag. Thierry hat das irgendwie herausgefunden. Sie wird auf dem Bergfriedhof beigesetzt, oben auf dem Galgenberg.«
    »Galgenberg?«
    »Heißt so. Sollen wir um vier hochgehen? Ich meine, die wissen natürlich nicht, dass sie ein Kind hatte. Aber wir könnten so tun, als kämen wir zufällig vorbei.«
    »Mit Nashville? Gott, Friedel, ich weiß nicht … Nein«, sagte sie. »Nein, besser nicht.«
    Das Akkordeon im Schrank verstummte. »Ich. Will. Da. Hin«, sagte Nashville klar und deutlich. Dann spielte er weiter.
     
    Der Friedhof war eine schattig grüne Welt aus Grabsteinen und Sträuchern, verborgen hinter einer hohen Hecke, und es dauerte, bis sie die Trauergesellschaft fanden.
Die Trauergesellschaft
: der Junge zwischen den Zeilen, Nancy, die sich an seinen Arm klammerte und in der anderen Hand die Gitarre hielt wie einen welken Blumenstrauß, der Pfarrer und der Totengräber.
    Es war eine Urne, die sie in die Erde hinabließen, die tote Löwin war zu Asche geworden wie zuvor der Zeitungsartikel über sie.
    »Stell dir vor, es ist Beerdigung und keiner geht hin«, flüsterte Friedel.
    Da nahm Svenja seine Hand und zog ihn nach vorn, um die Gruppe zu vergrößern.
    Thierry und Kater Carlo traten mit schweigenden Ernstgesichtern neben sie, und Nashville blieb hinter Svenja stehen.

Weitere Kostenlose Bücher