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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Schnittwunden? Was hast du angestellt?«
    Es sieht aus, als hättest du mit jemandem gekämpft und als wäre da ein Messer im Spiel gewesen …
    Sie sah die Verwirrung in seinen Augen. »Bitte? Wo?«
    »Hier.« Sie strich über den tiefsten Schnitt, und er zuckte zusammen. Setzte sich auf. Starrte die Stelle an.
    »Ich … weiß nicht«, murmelte er. »Das ist eine sehr gute Frage. Ich erinnere mich nicht. Vielleicht bin ich in einen Haufen Scherben gefallen. Vermutlich nicht ganz nüchtern.«
    Svenja stand auf und streifte ihr Hemd über. Das grüne Apfelbaumzimmer war so schön wie zuvor, aber auf einmal fror sie. »Friedel«, sagte sie, »pass auf. Pass bloß auf dich auf.«
    »Du ziehst ja ein, um auf mich aufzupassen«, sagte Friedel und grinste.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich ziehe ein, um auf mich selber aufzupassen, und auf Nashville. Und ich hoffe, es gibt ein Schloss an der Tür. Ich möchte keine betrunkenen Typen in meinem Zimmer, die vergessen, was sie eigentlich tun.«
    »Svenja, ich … Bist du sauer?«, fragte er, halb verheddert in sein eigenes Hemd. »Ich habe nichts gemacht, oder?« Er klang wie ein kleines Kind.
    »Dann mach was«, sagte sie. »Mach was, und krieg dein Leben auf die Reihe.«
    Sie dachte den ganzen Rückweg über an die Schnitte. Natürlich war es Unsinn. Natürlich rannte Friedel nicht da draußen rum und zettelte Messerstechereien an. Es war abstrus. Und dennoch …
    Sie verließ die drei in der Innenstadt.
    »Dann – bis morgen«, sagte Kater Carlo.
    »Wir kommen tragen helfen«, sagte Thierry.
    Friedel hob die Hand vom Lenker und winkte. Er sah sehr hoffnungsfroh aus und sehr jung. Er hatte die Schnittwunden schon vergessen.
     
    Die Tür im Holunder war nur angelehnt. Svenja hörte leise Stimmen, als sie die schmale, dunkle Treppe hinaufstieg. Zuerst dachte sie:
Es ist der Vermieter. Er kommt nachsehen, ob er mir noch einen Abschlag aus der Tasche ziehen kann, weil ich irgendwas beschädigt habe
.
    Aber die drei Stimmen waren jünger. Ein Kind, ein Mann, eine Frau.
    Sie öffnete die Tür zur Küche.
    Auf dem Küchenfußboden lag Nancy, die
Country-Roads
-Frau, den Kopf auf einer Decke. Ihr altes Hemd war voller dunkler Flecken. Der Junge zwischen den Zeilen kniete neben ihr und säuberte mit einem feuchten Küchenhandtuch ihr Gesicht.
    Auf der anderen Seite kauerte Nashville zwischen Sirjas Akkordeon und Nancys Gitarre.
    Das Küchenhandtuch war weiß mit blauem Karo. An manchen Stellen war es jetzt rot.
    »Hallo«, sagte Svenja. Mehr bekam sie nicht heraus.
    Der Junge zwischen den Zeilen sah auf.
    »Wir haben sie eben erst gefunden«, sagte er. »Es muss gestern Nacht passiert sein. Jemand hat versucht, das Gleiche mit ihr zu machen wie mit Sirja, aber sie hat sich effektiver gewehrt. Sie hatte Glück, irgendwer kam wohl vorbei, und da ist er gerannt. Er hat sie liegen lassen.«
    »Er?«
    »Ich denke doch, es ist ein Mann?«
    »Ich hab ihn nicht gesehen«, flüsterte Nancy, kaum hörbar. »War zu dunkel.«
    Nashville stand auf, stieg über Nancy und schlang seine Arme um Svenja wie ein ganz gewöhnliches neunjähriges Kind. Sie bückte sich und drückte ihn an sich. Er war nicht mehr als ein Windhauch in ihren Armen, verglichen zu Gunnar oder Friedel.
    »Der Kleine hat gesagt, wir können herkommen«, sagte der Junge zwischen den Zeilen. »Svenja? Hol einen Arzt.«

11 Regenrohre
    Als Gunnar vor der Tür stand, fiel Svenja ihm um den Hals.
    Er hielt sie fest, für den kürzesten aller Momente, und schob sie dann behutsam, aber entschlossen von sich weg.
    »Danke«, flüsterte Svenja – sie schien sich dauernd bei jemandem zu bedanken. »Danke, dass du gekommen bist. Es ist alles … Es läuft aus dem Ruder … Nancy …«
    »Wo ist sie?«, fragte Gunnar, sachlich, knapp.
    Svenja schluckte. »Oben. Komm mit.«
    Nancy lag noch immer auf dem Boden, den Kopf auf die Knie des Jungen zwischen den Zeilen gebettet. Gunnar kniete sich neben sie, und plötzlich war alles besser. Er brachte eine Art von Vernunft mit, eine Art von Wissen-was-er-tat, die Svenja aufatmen ließ. Er stellte sich nicht vor, er fragte nicht, wer wer war, all das war unnötig. Svenja half ihm, Nancy das Hemd auszuziehen. In Gunnars Tasche befand sich ein Sammelsurium an rasch zusammengeworfenen Dingen, er war so schnell gekommen wie möglich. Wortlos machte er sich daran, die Schnittwunden zu säubern, mit raschen und geübten Bewegungen, und niemand wagte zu sprechen. Nashville und Svenja

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