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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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klassisch.«
    »Die Nachklausur Histo hast du dafür bestanden«, sagte Friedel. »Die Listen hängen jetzt aus. Da bin ich auch durchgerasselt. In letzter Zeit kriege ich die Dinge nicht so wirklich auf die Reihe. Zu viel abends unterwegs. Oder was weiß ich.« Er schwieg einen Moment lang. »Küss mich.«
    »Wie? Jetzt? Hier?«
    Friedel zuckte die Schultern.
    »Ja. Heute ist ein glückloser Tag. Da kann man auch auf einer Bank vor der Anatomie jemanden küssen. Oder willst du nicht, dass uns jemand sieht?«
    »Ich … ich weiß nicht.« Sie sah noch einmal zum türkisen Kahlbau der HNO hinüber. Die Sonnenstühle der Cafete waren leer. Sie küsste Friedel aus Mitleid. Sie wusste, warum sie durch Anatomie gefallen war, es hatte nicht daran gelegen, dass sie Probleme mit dem Lernen oder dem Fach hatte. Bei Friedel war es etwas anderes. Friedel hätte diesem Studium längst den Rücken kehren sollen, dachte sie, und jetzt kehrte es
ihm
den Rücken. Dauerbetrinken nützte nichts. Selbst der Kuss schmeckte nach Resten von irgendeiner Sorte Alkohol.
    »Die Wohnung … Was hast du da vorhin gesagt?«, fragte er schließlich.
    »Ich muss raus. Morgen. Und ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.«
    »Wie – wo ist das Problem?« Er sah sie an, ehrlich perplex. »Ihr könnt doch bei uns wohnen! Ihr könnt eine ganze verdammte
Etage
für euch haben! Oben steht alles leer!«
    »Ein Zimmer würde reichen«, murmelte Svenja. »Aber … du weißt nicht, was die anderen dazu sagen.«
    »Doch, das weiß ich.« Friedel nickte entschlossen.
    »Macht die Tür zu, werden sie sagen. Sie sind zurzeit sehr beschäftigt miteinander.« Er grinste. »Ihr könnt noch in dieser Stunde einziehen.«
    Svenja lächelte. »Nein, das können wir nicht«, sagte sie. »Nashville ist mal wieder abgehauen. Mit Sirjas Akkordeon. Ich glaube, er versucht, Geld damit zu verdienen.«
    Friedel pfiff durch die Zähne. »Auffälliger kann er nicht sein für den Mörder seiner Mutter. Er hat nicht zufällig auch noch ein paar alte Kleider von ihr an?«
    »Nein«, sagte Svenja. »Nur ihr Halstuch um, glaube ich. Das mit den Blutflecken. Aber, Friedel. Wenn er mitten am Tag in der Einkaufsstraße sitzt, in
plain view
, kann niemand ihm etwas tun. In der Sonne, in der Masse, ist er sicher.«
    Er würde wiederkommen, dachte sie. So wie immer. Alles war in Ordnung. Sie holte tief Luft, umarmte Friedel und hielt ihn einen Moment lang ganz fest.
    »Danke«, flüsterte sie, und sie dachte, dass sie das schon einmal gesagt hatte, zu Gunnar, aber auf ganz andere Art. »Ich ziehe ein. Vorübergehend, okay?«
    »Okay«, sagte Friedel. Er zitterte.
     
    Der Nachmittag fand sie draußen vor der Stadt.
    Svenja hatte beschlossen, dass es ausreichte, abends zu packen; ihr Leben passte in einen Rucksack und einen kleinen Koffer. Oder in ein paar Plastiktüten.
    »Wir holen deine Leben später«, hatte Kater Carlo gesagt, als er mit Thierry bei der rosa Riesenvagina aufgetaucht war. »Ihr seht aus wie zwei Menschen, die können brauchen Sonnenschein. Fahren wir ins Grüne.«
    »Was hat er gemeint?«, fragte Svenja, als sie das gelbe Fahrrad über einen ordentlich geteerten schwäbischen Radweg trieb. »Wie
sehen
wir denn aus? Eigentlich nur wie zwei Typen, die durch ein Testat gefallen sind, oder?«
    »Nein«, sagte Thierry, der neben ihr fuhr. »Ihr seht aus wie zwei Typen, die dabei sind, durchs Leben zu fallen.«
    »Friedel vielleicht«, meinte Svenja. »Aber ich?«
    Ein Stück Wald verschluckte sie, und der Radweg wurde zu Erde wie alles auf der Welt früher oder später.
    »Du auch.« Thierry nickte. Selbst sein Nicken hatte einen französischen Akzent. Friedel und Kater Carlo waren ein Stück vorausgefahren. »Friedel … geht es nicht so gut zurzeit«, sagte Thierry. »Dass er vorhin deine Fahrradkette repariert hat, war sein erstes Erfolgserlebnis seit Langem. Du solltest die Kette bald wieder kaputt machen, damit er sie noch mal reparieren kann.«
    Svenja sah Thierry von der Seite an. Sie hatte ihn noch nie so besorgt erlebt. Sie hatte nicht gedacht, dass er sich sonderlich für andere Menschen interessierte.
    »Aber euch beiden geht’s gut, ja?«, fragte sie, mehr, um das Thema zu wechseln.
    »Denke schon.« Thierry lächelte. »Ich habe in letzter Zeit dauernd einen Kater.«
    »Warum hast du ihn so lange hingehalten?«
    Thierry zuckte die Achseln. »Katzen spielen gerne«, sagte er, trat in die Pedale und überholte die anderen. Svenja sah die Noppen seines

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