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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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    »Ich stelle mir das schön vor, so im Gras«, sagte Nashville. »Mit dem Sommer überall um einen herum … Manchmal habe ich heimlich zugesehen, wenn Sirja jemanden hatte. So häufig war das ja nicht. Es war immer so eilig und so kalt. Unter einem Obstbaum ist es bestimmt anders, da ist die Zeit länger und viel wärmer.«
    Es war einer seiner Wortwasserfälle, und Svenja brauchte einen Moment, um zu begreifen, wovon er sprach. »Du bist ein bisschen jung für solche Dinge«, sagte sie.
    »Ich bin dreizehn«, sagte Nashville.
    »Quatsch«, sagte Katleen.
    Nashville sah Katleen mit seinem dunklen Blick an. »Du musst mir ja nicht glauben«, sagte er leise. »Du kannst ja glauben, dass ich nichts über nichts weiß. Aber eine Sache weiß ich. Über dich.« Dann ging er voraus, schneller als die anderen, und spielte ein paar lose zusammenhängende Töne auf dem Akkordeon.
    Svenja schob ihr Rad rascher, um ihn einzuholen.
    »Was sollte das heißen?«, fragte sie. »Das mit Katleen? Was weißt du?«
    Er zuckte die Schultern.
    »Ich weiß jetzt auch etwas«, sagte Svenja. »Die Waffe. Es war kein Degen. Es war ein Taschenmesser. Der Pfarrer hat das gesagt, und es ist wahr, oder?«
    Nashville sah weg, ins Obstbaumland hinein. Schließlich nickte er ganz langsam.
    »Ja. Ein Taschenmesser.«
    »Wirst du mir irgendwann die richtige Geschichte erzählen?«, fragte Svenja.
    Er musterte sie von der Seite. Dann blickte er über die Schulter, um sicherzugehen, dass niemand sie hörte. Friedel und Katleen waren ein paar Meter hinter ihnen, weit genug entfernt, und schienen in ein eigenes Gespräch vertieft. Svenja fragte sich, ob es nicht eine Idee wäre, die beiden miteinander zu verkuppeln. Katleen wäre vermutlich besser für Friedel als sie.
    »Es ging so schnell«, sagte Nashville leise. »Ich konnte nichts tun. Es lag nicht an dem Messer, das stimmt … Es lag daran, dass er aus der Luft kam. Er ist vor uns auf dem Waldboden gelandet, und Sirja hat zu ihm gesagt: ›Hey, ich habe dich doch gehört, mit den anderen da oben an diesem Feuer, wer feiern kann, der hat auch Geld übrig.‹ Und ich habe gedacht, dass sie das nicht zu ihm sagen sollte, weil wenn einer fliegen kann, ist er vielleicht gefährlich … Und er hat nicht geantwortet, er stand einfach so da. Aber dann stand er nicht mehr nur so da, dann hat er sie geschlagen. Sie hat unser Taschenmesser herausgezogen. Damit er sich erschreckt und geht, glaube ich. Aber er war stärker als sie, er hat ihr das Messer weggenommen. Sie haben gekämpft, sie sind gefallen, die Blätter haben geraschelt wie ein großes Stück Musik rückwärts. Ich bin ihnen nachgegangen. ›Wenn du jetzt abhaust‹, hat sie zu ihm gesagt, ›dann nützt dir das nichts, ich erkenn dich wieder, und dafür lochen sie dich ein, dass du wehrlose Frauen halb totschlägst, Arschloch.‹ Da hat er das Messer gehoben und zugestochen, und ich hätte was getan, wirklich, aber es ging so schnell, und dann ist er zurück in den Himmel zwischen den Bäumen geflogen und verschwunden.« Er holte tief Luft und nickte. »Das Messer hat er fallen lassen. Ich hab es aufgehoben. Und dann bin ich durchs Gebüsch und weg.«
    Svenja schwieg eine Weile, schob nur das Rad und hörte die Wiesengrillen zirpen und Gesprächsstückchen von Friedel und Katleen hinter sich durch die Luft fallen.
    »Und wo … wo ist das Messer jetzt?«, fragte sie schließlich.
    Er zuckte die Schultern.
    »Und warum hast du bei Katleen ein Messer mitgehen lassen? Wozu brauchst du mehrere Messer?«
    »Wir können doch jetzt wieder fahren, oder?«, fragte Nashville. »Der Weg ist gar nicht mehr steil.«
     
    Kater Carlo und Thierry holten sie kurz vor dem Burghof ein. Als sie zum Turm von Hohenentringen aufsahen, legten die beiden hinter ihnen im Kies eine Vollbremsung hin.
    »Ha«, sagte Kater Carlo triumphierend. »Ihr wart laaangsam. Gibt’s hier was für Trinken?«
    Im Burghof wuchsen rote Sonnenschirme dicht an dicht, und darunter wuchsen Touristen. Die Luft war voll von Rufen und Lachen und dem Geruch nach Gegrilltem. Hinter der dicken Mauer am Ende des Hofs fiel das Land steil ab, dort saßen die Leute ähnlich wie auf der Mauer am Neckar.
    Sie fanden einen Tisch im Schatten, und es dauerte nicht lange, da füllte sich der Tisch mit Kuchentellern und Gläsern.
    Aber Nashville aß keinen Kuchen und trank keinen Saft. Er saß nur da und starrte in die Mitte des Tisches, wo es nichts zu sehen gab. Und Svenja schimpfte

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