Nasses Grab
dir gekommen. Sie hat dir vertraut – trotz allem. Sie wusste, sie konnte sich auf dich verlassen. Und sie hat dir das größte Geschenk gemacht, dessen sie fähig war.«
Milena sah ihre Mutter verständnislos an.
»Ja. Sie hat dir ihr Kind geschenkt. Sie hat sie den besten Händen anvertraut, die sie kannte. Sie hätte abtreiben können, Milena, hast du nie daran gedacht? Sie hat monatelang gewusst, dass sie schwanger war. Aber sie hat es nicht getan. Es wäre leicht gewesen. Sie ist zu dir gegangen. Und sie hat das Richtige getan.«
»Du glaubst …«
»Sie hat mir einen Brief hinterlassen, als sie damals gegangen ist.«
»Davon hast du mir nie erzählt!«, rief Milena aus. »Was hat sie geschrieben?«
Anna ging hinüber zu ihrer Handtasche, die auf Magdas Schreibtisch stand, und holte einen abgegriffenen Briefumschlag heraus. Sie reichte ihn ihrer Tochter.
Milena zog ein eng beschriebenes Blatt heraus und begann, laut zu lesen.
»Mama , ich kann das nicht. Ich habe monatelang darüber nachgedacht. Aber alleine schaffe ich das nicht. Ich habe nicht viel übrig für Familie – wie du weißt. Mit ihm hätte ich es mich getraut. Aber er will mich nicht – und das Kind auch nicht. Er sagte, er wolle keine Familie. Ich habe ihm gesagt, ich würde abtreiben lassen, aber dann konnte ich es doch nicht tun. Es ist doch sein Kind – und ich liebe ihn so sehr, Mama. Vielleicht später – vielleicht überlegt er es sich eines Tages ja noch.
Es gibt nur eines, was ich tun kann, denn fremden Leuten will ich das Kind nicht anvertrauen. Milena hat mir geholfen – immer, egal, in welche Scheiße ich mich geritten hatte. Auch diesmal. Ich schenke ihr mein Kind. Mehr kann ich ihr für ihre Hilfe nicht geben. Sie denkt, sie sei mir gleichgültig und lästig. Das ist nicht wahr. Sie ist der einzige Mensch, dem ich absolut vertraue. Milena war immer gut zu mir, viel zu gut. Ich schulde ihr mehr, als ich sagen kann.
Hätte er mich doch nur genommen! Ich will lieber allein sein in Zukunft. Das ist besser für mich und für die anderen. Ich liebe meinen Beruf, und ich bin eine weit bessere Schauspielerin, als ich eine Mutter sein könnte. Sei mir nicht böse, Mama. Ich kann nicht anders. Vielleicht später einmal. Und danke für alles, was du für mich getan hast. Dana. «
In Milenas Augen standen Tränen, als sie zu ihrer Mutter aufsah.
»Warum hast du mir das nie gezeigt?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Du hättest sie nicht in Ruhe gelassen damit, Liebes. Sie wollte allein sein. Ich habe das respektiert. Ich wollte nicht, dass ihr euch gegenseitig über dieser Sache aufreibt. Es war besser so, glaub mir.« Sie nahm Milenas Hand ihn ihre und streichelte sie. »Deine Schwester war eine Egoistin, aber sie war kein Monster, Milena. Hör auf, sie zu hassen. Das bist du dir selbst schuldig. Sei wieder das fröhliche Mädchen, das du vorher warst. Du hast vier wunderbare Kinder und zwei Enkel, die dich sehr lieben. Du hast einen Mann, der dich vergöttert – und mit Recht. Lass Dana los. Nimm das Geschenk endlich an und freue dich daran.«
» Babi hat recht, Mama«, sagte Magda. Sie stand in der Tür ihres Büros und sah ihre Mutter lächelnd an.
Die beiden Frauen fuhren erschrocken herum. »Magda«, riefen sie wie aus einem Mund.
»Und bitte, keine Geheimnisse mehr, okay? Ich bin ein großes Mädchen«, sagte sie, »ich vertrage einiges. Zum Beispiel auch zu erfahren, wer mein Vater ist.«
»Liebes, ich …«, begann Milena, doch Magda schnitt ihr das Wort ab.
»Ich weiß, dass du nur mein Bestes wolltest, aber ich bin inzwischen alt genug, um selbst entscheiden zu können, was gut für mich ist. Ich bin siebenunddreißig Jahre alt, habe zwei Kinder und schlage mich recht gut durchs Leben. Du musst nicht mehr auf mich aufpassen. Und in Watte packen musst du mich auch nicht. Okay?«
Milena lächelte und nickte.
»Du hast alles gehört?«, fragte Anna.
»Das Wichtigste, denke ich. Den Rest könnt ihr mir bei Gelegenheit erzählen. Jetzt habe ich noch eine Neuigkeit. Jemand hat versucht, Honza Krasnohorský umzubringen.«
» Ježišmarja !«, rief Milena aus. »Wer könnte ihn töten wollen? Warum?«
»Das wüsste ich auch gerne«, sagte Magda und ging zum Arbeitstisch hinüber, an dem die beiden Frauen die letzten Stunden verbracht hatten. »Das ist sie. Das ist Lenka«, sagte Magda traurig und deutete auf den Bildschirm. »Du hast Lenka gekannt, Mama. Was weißt du über sie?«
»Sie ist mit uns zur
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