Nasses Grab
sollte. Geben Sie der Schwester Ihre Nummer.« Er sah Jay an und fuhr nach einer Weile fort. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Doktor hier hat gute Arbeit geleistet.« Er nickte Magda zu. »Der Notarzt hat von Ihrem Einsatz erzählt. Hat Sie sehr gelobt.« Der Arzt lächelte. »Ich hätte nicht gedacht, dass Pathologen so erfolgreiche Lebensretter sind.«
»Ist mal was anderes«, sagte Magda und grinste, »ich bin dankbar für jeden, der nicht auf meinem Tisch landet.« Sie wandte sich an Xenia. »Komm, gehen wir. Hier können wir jetzt nichts tun. Lass uns unten einen Kaffee trinken.«
Xenia nickte, dann beugte sie sich zu Jay hinunter und küsste ihn auf die Stirn. »Werd gesund – bitte!« Sie drückte seine Hand, die entspannt neben ihm auf der blütenweißen Decke lag.
Unten in der Cafeteria setzten sie sich an den Tisch am Fenster, an dem Magda schon mit Anděl gesessen hatte.
»Was willst du trinken?«
»Einen Kaffee.«
»Kaffee?«
»Nein«, Xenia lächelte, »ich vergaß, ich möchte einen … was auch immer, such mir was aus, bitte.«
Magda brachte einen Kaffee für sich und einen Apfelsaft für Xenia. Sie setzte sich ihrer Freundin gegenüber.
»Du hast mir noch immer nicht gesagt, was du bei Jay wolltest.«
Magda seufzte. Sie hätte viel darum gegeben, dieses Gespräch nicht führen zu müssen. Doch es half nichts.
»Xenia, es – ach, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.«
»Wie du mir was sagen sollst?« Xenias Stimme war rau. Sie blickte Magda unsicher an. »Raus mit der Sprache.«
»Ich habe mit Mama und Babi gesprochen, sie haben mir von Dana erzählt. Sie war … sie war meine Mutter.« Eine Hälfte der Wahrheit geschafft. Die leichtere.
»Deine Mutter?«, fragte Xenia ungläubig.
»Sie war der Auffassung, dass sie nicht zum Muttersein taugte, und hat mich bei meiner Mutter, bei Milena, gelassen, damals.«
»Milena hat dich adoptiert?«
»Nein. Sie haben einfach die Plätze getauscht. Ich bin zu Hause zur Welt gekommen. Meine Großmutter hat es als Notfall ausgegeben. Plötzliches Einsetzen der Wehen, keine Zeit mehr, in die Klinik zu fahren. Und sie war die behandelnde Ärztin. Sie haben das zusammen gedeichselt. In meiner Geburtsurkunde steht Milena als meine Mutter. Sie hatten viel Glück, dass das nicht aufgeflogen ist. Die Einzige, die davon wusste, ist witzigerweise David Anděls Mutter. Sie war mit Mama befreundet, sie haben zusammen studiert. Mama hat es ihr erzählt.«
»O Gott, Magda, das ist ja schrecklich, wie …«, Xenia sah Magda ratlos an.
»Es ist okay, Xenia. Meine Mutter ist Milena. Sie hat mich aufgezogen, war immer für mich da.«
»Magda«, fragte Xenia zögernd, »wenn Dana deine Mutter war, wer war – wer ist dein Vater?«
Magda schloss die Augen. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Kraft sammeln.
»Es ist doch nicht etwa …«
Magda sah ihre Freundin an und nickte.
»Doch«, sagte sie leise, »mein Vater ist Honza Krasnohorský.«
Jetzt war es raus. Die zweite Hälfte der Wahrheit. Die schwerere. Xenia starrte sie fassungslos an. Eine ganze Ewigkeit. Dann brach sie plötzlich in schallendes Gelächter aus.
»Dann bist du ja – meine Güte, Magda, dann bist du ja meine Stieftochter!« Xenia schlug sich vor Lachen auf die Schenkel. »Ich fasse es nicht! Du bist meine Stieftochter!« Sie schüttelte sich buchstäblich vor Lachen, bis es in heftiges Schluchzen überging. Tränen strömten über ihr blasses Gesicht. Sie presste ihre Hände auf den Mund und starrte Magda an.
Magda wusste nicht, was sie sagen sollte. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Aber ja, sie war tatsächlich Xenias Stieftochter. Wie absurd!
Xenia beruhigte sich langsam. Sie wischte sich mit einer Serviette die Augen ab, schnäuzte sich, schüttelte den Kopf.
»Weißt du, wenn mir das jemand erzählen würde, ich würde denken, er spinnt. Ist das wirklich wahr? Woher wusste Anděl das alles?«
»Von seiner Mutter. Mama hat es ihr erzählt. Die Welt ist klein.«
»Und deshalb bist du zu Jay gefahren?«
»Ich wollte eigentlich nur eine Weile alleine nachdenken«, sagte Magda, »und dann war ich plötzlich an der Ecke beim Hühnchen, vor seiner Haustür. Ich habe geklingelt, jemand hat aufgemacht, und ich bin reingegangen. Und oben – oben stand die Tür sperrangelweit auf. Er lag auf dem Boden. Ich bin zu ihm gelaufen, und dann hat hinter der Tür jemand gestöhnt. Larissa lag dort, bewusstlos. Sie war so weit okay, ich habe sie in eine stabile Seitenlage
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