Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
Vom Netzwerk:
Ausgabe fand sie nichts. Der kurze Bericht, den Robin erwähnt hatte, ergab nicht viel mehr, als der Feuerwehrmann ihr eben gesagt hatte. Sie griff zum Telefon und ließ sich mit der Nachrichtenredaktion der MFDnes , einer der drei großen tschechischen Tageszeitungen, verbinden. Kurz darauf hatte sie Michal Dlouhý in der Leitung.
    Er habe die Sache von einem Feuerwehrmann gehört, sagte er. Nein, mehr, als in dem Artikel stehe, habe er nicht in Erfahrung bringen können. Der Typ, der ihm die Sache erzählt hatte, habe deswegen wohl ordentlich Feuer unter dem Hintern gekriegt. Von denen rede jetzt sicher keiner mehr. Den Namen wollte er ihr nicht verraten, versprochen sei versprochen.
    Die letzten Tage und Nächte hatten deutliche Spuren in Robins Gesicht hinterlassen. Er sah aus, als könne er im Stehen einschlafen. Das blonde, kurz geschnittene Haar stand in alle Richtungen, unter den himmelblauen Augen lagen dunkle Ringe.
    Das Café Louvre, im ersten Stock eines Jugendstilhauses an der Národní-Straße auf halbem Weg zwischen Můstek und Nationaltheater gelegen, war relativ leer, hier und da saßen ein paar Touristen, denen die Ausflugsziele buchstäblich abgesoffen waren und die nun mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen wussten, als sie in einem Café zu verbringen. Die Prager waren damit beschäftigt, ihren Alltag zu improvisieren, und hatten offenbar keine Zeit für Cafés.
    Larissa und Robin saßen am Fenster an einem der kleinen Zweiertische. Der Ober hatte die bestellten Getränke gebracht, und Robin rührte vorsichtig in seinem türkischen Kaffee, in dem er bereits fünf Löffel Zucker versenkt hatte. Eine gesättigte Lösung nannte man das wohl, dachte Larissa. Sie zog den Zucker weg, als er noch einen Löffel nehmen wollte.
    »Du kriegst noch einen Zuckerschock. Also, was ist mit diesen Särgen? Mach’s nicht so spannend, Robin. Ich habe den Artikel gelesen und Dlouhý angerufen. Aber der weiß nicht mehr, als er geschrieben hat.«
    Robin legte den Löffel weg und nahm das Glas in beide Hände, als wolle er sich trotz der Affenhitze im Raum daran wärmen.
    »Kein Wunder. Der Boss hat getobt wie ein Berserker, als er den Artikel heute Morgen gesehen hat. Da wussten wir aber auch noch nicht alles über die Särge.«
    Robin fasste den Einsatz zusammen. Sie waren am Můstek, der Metrostation am unteren Ende des Wenzelplatzes, in das Fußgängergeschoss hinuntergestiegen, als das Wasser dort nur noch hüfthoch stand, und bald auf diese schwimmenden Kisten gestoßen. Es waren tatsächlich Särge gewesen.
    »Und ich meine nicht diese süßen kleinen Schweinereien, die sie in der Bäckerei da unten verkauft haben. Ich meine die echten. Allerdings die einfache Version aus Holzbrettern. Na, jedenfalls haben wir einen Lagerraum gefunden, da waren noch mehr drin. Und jetzt halt dich fest: Eine der Kisten war schon belegt.«
    »Was?«, platzte Larissa heraus. Die beiden Touristen am Nebentisch drehten sich zu ihnen um, und sie senkte ihre Stimme. »Was meinst du mit belegt ?«
    »Du hast richtig gehört, in einem der Särge lag was. Eine Art derangierte Mumie.«
    Larissa war sprachlos. Am Wenzelsplatz gab es weit und breit keinen Friedhof, und im Fußgängergeschoss der Metro auch kein Bestattungsunternehmen. Sie starrte Robin mit offenem Mund an. Und sie hatte die Geschichte! Seite eins. Titelstory. Sie sah die Schlagzeile schon vor sich: Mummy found in the Metro. Sie bemühte sich, ihre Aufregung im Zaum zu halten, während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Notizblock fischte.
    »Erzähl.«
    »Na ja, das Ding sah nicht mehr ganz taufrisch aus. Kein Wunder bei dem Bad in dieser ekelhaften Brühe. War eingewickelt wie so eine ägyptische Mumie eben. Vielleicht ist es ja eine.« Er zuckte mit den breiten Schultern und grinste, als er ihren ungläubigen Blick sah. »Hey, ich bin nur Feuerwehrmann, kein Archäologe.«
    »Wo habt ihr sie gefunden?«
    »In dem Lagerraum im Fußgängergeschoss. Da standen, wie gesagt, noch mehr Särge rum, zwanzig, dreißig Stück. Das Wasser hatte eine Wand eingerissen, da haben sich einige von den Dingern auf Wanderschaft begeben. Schwammen da unten rum wie herrenlose Gondeln. Sah ganz schön gruselig aus. War ja stockfinster da unten, nur ein bisschen Licht, das von draußen kam, und unsere Taschenlampen. Ein paar von den Kisten hatten sich in der Tür des Lagerraums verkeilt, und die restlichen sind nicht mehr rausgekommen. Der mit der Mumie auch nicht. Sah aus wie in einer

Weitere Kostenlose Bücher