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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an.
    »Du weißt von den tausend Rubeln Belohnung?« fragte Tigran dunkel.
    »Kassugai hat sie geboten.«
    »Aber nun ist er tot …«
    »Es wird nicht sein eigenes Geld gewesen sein. Er wird selbst auf der Jagd gewesen sein, um es zu bekommen. Es ist sicherlich staatliches Geld.«
    »Vom Staat? Jakow Michailowitsch, du bist wirklich ein Idiot!« Tigran holte seine Pfeife aus der Soutane und stopfte sie.
    Bloß das nicht! bettelten Petrows schielende Augen. Nicht diesen Qualm! Wir alle kennen ihn, verschone mich damit, Väterchen!
    »Angenommen, wir finden das Mädchen«, fuhr der Pope fort. »Dann müssen wir es nach Mutorej bringen, von dort kam dieser Kassugai her. Aber ich als Priester kann keine Gefangene und Mörderin transportieren. Also übernimmst du das mit zwei anderen. Nur – wer garantiert mir dafür, daß ihr Verbrecher nicht mit den tausend Rubeln verschwindet?«
    »Es müßte erst festgestellt werden, wem die Rubelchen gehören, Väterchen«, erwiderte Petrow kühn.
    »Wem wohl?« donnerte Tigran. »Der Kirche! Dem Mittelpunkt des Lebens! Dem Garanten für die Seligkeit!«
    »Kann ich die Seligkeit anfassen? Aber tausend Rubel kann man anfassen. Das ist der Unterschied. Aber es ist dumm, sich darüber Gedanken zu machen. Das Mädchen ist nicht hier. Das habe ich Kassugai schon gesagt, aber er wollte es nicht glauben. Wie kann eine Fremde im Dorf sein, ohne daß alle es wissen?«
    »Das ist leider wahr«, sagte der Pope wehmütig. »Wir werden die tausend Rubel nie bekommen; es sei denn, die Mörderin taucht noch in Satowka auf.«
    Unterdessen jagte ein Reiter auf einem der kleinen, struppigen, aber ungemein zähen Pferde durch die Taiga, den Spuren der schweren Fahrzeuge nach, die im Waldboden zurückgeblieben waren. Man konnte den Bohrtrupp nicht verfehlen, zumal der einzige Mann, der im Zeltlager zurückgeblieben war, ein Arbeiter, der sich die Hand gequetscht hatte, auf einer Karte zeigte, wo der Trupp sich aufhielt.
    Der Reiter starrte die bunte Karte an, wunderte sich, daß bei den Ingenieuren die Taiga so ganz anders aussah, nickte ein paarmal, weil man ja so tun muß, als verstände man alles, und ritt los in die Unendlichkeit der Wälder.
    Es war leicht auszurechnen, daß ein noch so guter Reiter nicht schneller vorwärtskam als ein moderner Lastwagen. Und da Tassburg über eine Tagesreise von Satowka entfernt war, bereitete sich der Bote innerlich darauf vor, auch die Nacht durchzureiten, immer der Spur der schweren Wagen nach.
    Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, denn was in Satowka passiert war, hatte natürlich auch der kranke Arbeiter gehört. Der überlegte sich das und, da er nur die Hand und nicht den Kopf gequetscht hatte, setzte er sich ans Sprechfunkgerät und brüllte solange »Hier Basis! Bitte melden!«, bis sich tatsächlich der Vorarbeiter Grigori weit draußen in der Taiga meldete.
    »Halt's Maul!« sagte Grigori freundschaftlich. »Wir haben keine Zeit für Unterhaltungen. Wenn es dir zu langweilig wird, geh ins Dorf und such dir ein Weibchen! In Nummer vierzehn, links der Straße, wohnen drei Schwestern. Der Vater ist taub, und die Mutter hat Rheuma. Im Stall haben die verdammten Weiberchen ein Strohlager. Aber sieh dich vor, die drei Schwestern sind unzertrennlich! Ich hab's probiert … Hinterher hab' ich geschwankt wie nach einer Flasche Wodka …«
    »Im Dorf hat es drei Tote gegeben!« berichtete Konstantin, der Gequetschte, aufgeregt. »Ein Bote ist zu euch unterwegs …«
    »Was haben wir damit zu tun?« erwiderte Grigori. Er saß in einem kleinen grünen Zelt und hatte zwischen die Knie eine Schüssel mit heißem Gulasch geklemmt. »Woran sind sie denn gestorben?«
    »Die Toten hat es bei Michail Sofronowitsch im Haus gegeben!« sagte Konstantin, weil er nicht ganz genau informiert war. »Der hirnverbrannte Fluch soll daran schuld sein. Einem hat man sogar die Kehle durchgeschnitten!«
    »Verdammt! Ich melde es sofort dem Genossen Ingenieur. Kennt man die Toten?«
    »Es sind zwei Fremde und eine Frau. Einer heißt so ähnlich wie Kassomej oder Kussolej! Ich hab's nicht richtig verstanden. Ich gehe nachher ins Dorf, und werde mich genau erkundigen.«
    »In Ordnung. Ich rufe wieder an. Ende!«
    »Ende, Grigori!«
    Es gibt im Leben eines jeden Menschen Gewissenskonflikte. Der eine weiß nicht, ob er die Tochter oder die noch jugendliche Mutter lieben soll, der andere ringt mit sich, ob er seinem Chef die Wahrheit sagen soll – was die Stellung kosten könnte

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