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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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melden sollte oder nicht. Gesetzlich war das so: Man mußte alles haargenau nach Batkit melden, und von dort ging die Sache dann zur Kreisstadt. Maß man bei der Miliz der Sache große Bedeutung bei – es war völlig offen, ob der Tod von zwei Männern eine große Sache war, besonders in Sibirien –, dann kam ein Wagen mit einer Kommission nach Satowka, um eine Untersuchung anzustellen. Würde man in der Kreisstadt sich scheuen, den weiten Weg in die Taiga an der Steinigen Tunguska entlang zu machen, um zwei unbekannte Tote zu besichtigen?
    Wenn man es wirklich tat, so geriet der Pope in Bedrängnis. Warum hatte Gott so viel Wucht in seine Hand gelegt, daß dieser Nikolai an einem einzigen Faustschlag gestorben war?
    »Laß mich in Ruhe!« knurrte Petrow darum auch Gasisulin bissig an. »Ich habe andere Sorgen!«
    »Sorgen? Wer hat hier Sorgen – außer mir?« rief Vitali Jakowlewitsch. »Was tue ich zuerst? Särge zimmern oder Gräber schaufeln? Weißt du, was es heißt, ein Grab von einem Meter fünfzig Tiefe zu schaufeln, wenn die Erde so hart und steinig wie auf unserem Friedhof ist? Und das gleich dreimal! Ja, und die Särge! Habe ich so viele Bretter auf Lager? Nein, woher denn? Wer stirbt denn hier? Also muß ich zuerst Bretter schneiden, hobeln, bohren, zapfen, polieren, nageln, leimen. Für drei Särge auf einmal! Wie soll ich das schaffen? Bekomme ich wenigstens eine Aktivistenauszeichnung, Genosse?«
    »Hinaus!« brüllte Petrow. »Und die Toten sind morgen unter der Erde, verstanden?«
    »Unmöglich!« schrie Gasisulin zurück. »Überhaupt, was soll diese Eile? Normalerweise begräbt man einen Toten erst nach drei Tagen …«
    »Tigran Rassulowitsch will es so! Und überhaupt, Vitali Jakowlewitsch, zwanzig Jahre lang klagst du umher, weil wir alle zu gesund sind. Wir hatten Mitleid mit dir, wir haben dich zum Totengräber, zum Küster, zum Friedhofsgärtner gemacht, und überall, wo du hinkamst, hast du zu essen bekommen, vor allem bei jenen, die Urgroßeltern im Haus haben, die nicht sterben wollen. Du hast gut gelebt, und kaum etwas dafür getan. Aber jetzt«, Petrow brüllte plötzlich wieder, »jetzt hast du Arbeit, und wenn bis morgen abend nicht alle begraben sind, bist du alle deine Ämter los!«
    Gasisulin begriff, daß mit Petrow nicht zu reden war, seufzte gequält und verließ das Parteihaus. Seine Euphorie über die Vielzahl der Toten war einer tiefen Verzweiflung gewichen. Es war unmöglich, diese Arbeit allein zu schaffen, es sei denn, – man zimmerte ein paar einfache Kisten, ohne jede Form, und nannte so etwas Sarg. Ein paar Bretter zusammengehauen – fertig! Aber das widerstrebte Gasisulins Handwerkerehre und Schönheitsgefühl. Vor allem Valentina Agafonowna hatte keine solche Kiste verdient …
    Plötzlich hatte er einen guten Gedanken und schwenkte vom Weg ab. Er marschierte hinaus zum Lager der Geologen, wo er den einsamen Konstantin mit der gequetschten Hand traf. Dieser aß gerade eine Pfanne voll Rühreier leer und kaute an einem saftigen Stück Speck.
    »Mich beschäftigt ein Problem, Genosse«, sagte Gasisulin höflich und setzte sich neben Konstantin vor das Zelt. »Ich bin Vitali Jakowlewitsch, Sargmacher und Totengräber!«
    »Gratuliere«, erwiderte Konstantin und nahm eine Gabel voll Rührei zu sich. »Sie haben Hochkonjunktur, Brüderchen.«
    »Das eben bedrückt mich. Man kann nicht zweierlei innerhalb von vierundzwanzig Stunden machen, Särge zimmern und Gräber schaufeln. Meinen Sie nicht auch?«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Gasisulin blickte sich um, aber er sah nicht, was er suchte. »Sie haben doch in Ihrer Kolonne einen Lastwagen, auf dem ein Schaufelbagger montiert ist. Wenn man mir den leihen würde – in einer Stunde hätten wir die drei Gräber ausgehoben.«
    »Der Bagger ist in der Taiga.«
    »Und wann ist er wieder hier?«
    »Frühestens in drei Tagen …«
    »Ich bin zerschmettert!« Gasisulin war dem Weinen nahe. »Ich muß anderthalb Meter durch felsigen Boden. Und das gleich dreimal!«
    »Jeder Beruf hat seine Schwierigkeiten, Genosse. Auch nach Erdgas suchen ist eine Sauarbeit! Manchmal dampfen einem die Knochen! Ich kann dir nur eines geben – Dynamit …«
    »Das hast du hier?« fragte Gasisulin hoffnungsvoll.
    »Genug! Wieviel Stangen willst du haben?«
    »Das gibt's in Stangen?«
    »Aus einer Flasche kann man es nicht trinken, Genosse!« Konstantin lachte und zeigte auf das große Materialzelt. »Je nachdem, wieviel man sprengen will,

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