Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
hockten und Bretter festnagelten, senkten Gasisulin und drei freiwillige Helfer die Särge in die Riesengruben. Entgegen dem Brauch, bis zum Grab die Toten offen einherzutragen und laut zu beweinen, hatte man die Deckel bereits fest zugeschlagen.
Kassugai und seinen Freund Nikolai wollte niemand beweinen, selbst nicht die drei ausgewählten Klageweiber, die sonst mit zerrauften Haaren und verzerrten Gesichtern laut weinend dem offenen Sarg folgten. Was die Witwe Valentina Agafonowna betraf, so genügte es, daß man bei der Aufbahrung im Haus eine Stunde klagte. Es war ein schwüler Nachmittag, und auch Klagen strengt an.
»Ihr Lieben«, sagte der Pope an den Gräbern, »wir übergeben den Leib unserer lieben Valentina Agafonowna der Erde in der Gewißheit, daß sie zu Gottes Füßen sitzen wird. Die beiden anderen Toten hat es nie gegeben, und wer auch nur einen Ton darüber spricht, nur einen Hauch von ihnen erwähnt, den verprügele ich eigenhändig, daß er eine Woche lang nicht mehr sitzen kann. Haben wir uns verstanden, liebe Kinder im Herrn?«
Die Leute von Satowka nickten ehrfürchtig. Man war viele merkwürdige Predigten Tigrans gewöhnt, warum sollte man über diese staunen? Wenn der Pope ausdrücklich sagte, es sei nur eine begraben worden, eben Valentina Agafonowna, dann stimmte das. Viel wichtiger war, was mit dem alten Wolga-Auto geschehen sollte, das die beiden Fremden vor dem Haus des Dorfsowjets abgestellt hatten. Es ging das Gerücht um, man wolle es versteigern, um jedem die Gelegenheit zu geben, ein Auto zu besitzen. Petrow nannte das ›angewandten Sozialismus‹.
So wurde die Beerdigung rasch beendet, und man schaufelte die Riesengräber nur notdürftig zu. Nun blieb das Problem, was mit dem vierten Grab geschehen sollte.
»Der Genosse Ingenieur lebt noch«, meinte Tigran unschlüssig. »Aber das kann sich morgen schon ändern. Lassen wir es offen. In Satowka überschlagen sich die Ereignisse …«
Dann zogen alle zum Parteihaus zur Autoversteigerung.
Da niemand in der Lage war, den Wert des Wagens zu schätzen, überließ man das dem Popen, und der sagte laut: »Das Auto fährt noch! Kassugai hat damit wochenlang die Taiga durchquert. Ein robustes Fahrzeug also, Genossen! Keine Schönheit mehr, aber ein Auto soll ja fahren und keinen Schönheitspreis bekommen! Ich schätze es auf dreißig Rubel!«
Ein Stöhnen ging durch die Einwohnerschaft von Satowka. Dreißig Rubel? War man ein Millionär? Man sah sich aus den Augenwinkeln an und wartete. Wer hatte heimlich dreißig Rubel im Kasten versteckt? Heraus damit, Brüderchen! Jetzt heißt es bekennen!
»Ich unterstütze den Fortschritt!« sagte Petrow laut, dabei schielte er noch fürchterlicher als sonst, weil ihn die Begeisterung mitriß. »Die Partei bietet einunddreißig Rubel!«
»Zweiunddreißig für die Kirche!« brüllte Tigran. »Gott ist immer vorn!«
»Dreiunddreißig für den Sozialismus!« schrie Petrow.
»Fünfunddreißig Rubel!« dröhnte Tigrans Baß.
Man hielt den Atem an. Die Summen stießen in den Bereich des Utopischen vor. Fünfunddreißig Rubel sind kein Vermögen, aber man muß ja anders rechnen: Wem nützt ein Auto, wenn er kein Benzin und kein Öl hat? Und die Reparaturen? Immer nach Mutorej, zwei Pferdchen davorgespannt? Da konnte man sich ein Auto sparen und gleich mit den Gäulen fahren …
Aber es kam noch schöner.
Eine helle Stimme sagte in die plötzlich entstandene Stille: »Vierzig Rubelchen!«
Der Pope starrte den Sprecher an und vergaß, seinen Mund zu schließen. Petrow fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Die Leute von Satowka schnauften und umringten den Mutigen, als wollten sie ihn erwürgen.
Wer da vierzig Rubel bot, war niemand anderer als Jefim Aronowitsch, der Idiot.
»Bringt ihn weg!« sagte Tigran sanft. »Er kann nichts dafür.«
»Ich bekomme das Auto! Ich habe vierzig Rubel geboten!« schrie Jefim und stemmte die Beine in den Boden, als man ihn wegziehen wollte. »Ich zahle sie bar! Wollt ihr sie sehen? Gespart habe ich sie. Kopeke auf Kopeke! Her mit dem Auto …«
Was sollte man tun? Petrow, für die Gerechtigkeit in Satowka verantwortlich, schlug dreimal in die Hände, und Jefim war der Besitzer des schönen Wolga-Wagens. Aber dann nahmen Tigran und Petrow Jefim mit in das große Gemeindebüro und brüllten ihn abwechselnd an.
»Ich erteile keine Fahrerlaubnis!« rief Petrow. »Nie! Das wäre konzessionierter Mord!«
»Du Pharisäer!« brüllte Tigran und schüttelte den
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