Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
war, weiterzuarbeiten. Außerdem würden seine Männer protestieren, den langen Winter in dieser Einsamkeit zu verbringen …
Es wird sich alles finden, dachte Michail dann, und setzte sich wieder zu Natalia ans Bett. Er blickte in ihr blasses Gesicht. Mein ganzes Leben hat sich durch sie verändert, dachte er. Alles hat einen anderen Wert bekommen, ein neues Gewicht. Nichts ist mehr so wichtig wie Natalia.
Er beugte sich über sie und küßte ihre zitternden Lider. Sie war kalt wie Stein.
Der Sargmacher und Totengräber Vitali Jakowlewitsch Gasisulin hatte seine vier flachen Löcher in den Boden gegraben und ruhte sich nun auf dem Rand seines Handwagens aus. Er hatte die Gräber in einer Reihe angelegt und sich vorgenommen, jedes einzeln aufzusprengen.
Ein viermaliges schönes Krachen sollte es werden, ein Feuerwerk. Wann hatte Vitali schon Gelegenheit, Dynamit zu zünden? Die kam so rasch nicht wieder. Außerdem war Gasisulin mächtig stolz bei dem Gedanken, daß er vielleicht der einzige Totengräber Sibiriens sei, der seine Gräber auf diese Weise ausheben konnte.
Nachdem er einen Kanten Brot gekaut hatte, machte er sich daran, die Dynamitstäbe in die Erdlöcher zu stecken und dann abzudecken. Pro Grab drei Stangen …
Sorgfältig legte Vitali Jakowlewitsch anschließend die Zündschnüre und rollte sie aus bis hinter die Kirchenecke, hinter der er in Deckung gehen wollte. In großer Vorfreude rieb er sich die Hände. Er zog seinen Handwagen hinter die Kirche, setzte sich auf die Deichsel und steckte die Zündschnur Nummer eins an. Leise zischend sauste das bläuliche Flämmchen davon. Die zweite Schnur folgte, dann die dritte. Gasisulin freute sich wie ein Kind, sein Gesicht strahlte in höchstem Glück, und er brannte die letzte Zündschnur ab. Dem letzten blauen Flämmchen winkte er nach. Mach's gut, Feuerchen! So etwas wird Satowka nicht wieder erleben …
Er hatte recht, der gute Gasisulin!
Schneller als er geglaubt hatte, erreichte die erste Flamme das dreifache Dynamit.
Man soll nicht denken, daß sich irgendein Bewohner der Taiga durch mittlere Naturkatastrophen besonders aus der Ruhe bringen läßt. Ob es blitzt oder donnert, der Himmel Sturzbäche an Regen auf die Erde schickt, die alles überschwemmen; ob der Frost die Bäume auseinandersprengt oder die Sommerglut Hunderte von Werst des Waldes in Flammen aufgehen läßt – man ist das gewöhnt, nimmt es hin und weiß, daß alles vorübergeht und der Gleichklang der Natur wiederhergestellt wird.
In diesem Augenblick aber war es anders. Gasisulin, noch freudig erregt und voller kindlicher Erwartung des schönen, lauten Knalls, fühlte sich plötzlich wie von Geisterhand hochgehoben, schwebte über seinem Handwagen, riß den Mund zu einem Schrei auf und fiel dann unsanft auf den harten Boden zurück. Er hörte eine so gewaltige Detonation, daß hinter ihm die Kirche zu schwanken und die Erde unter ihm sich zu wölben schien.
»O Schwarze Muttergottes!« stammelte Vitali Jakowlewitsch. Er blieb auf der Erde liegen, bedeckte seinen Kopf mit beiden Händen und wartete auf das Ende. Mit drei Stäbchen scheinen wir uns verrechnet zu haben … dachte Vitali in höchster Not.
Das stimmte. Das Grab Nummer eins erwies sich als ein riesiges Loch von gut drei Metern Tiefe, und was das Dynamit herausgerissen hatte, kam polternd als Stein- und Staubregen auf die Erde zurück. Aber da explodierte schon die Sprengladung Nummer zwei und ließ ebenfalls die Erde erzittern. Es schien sich um Qualitätsware zu handeln …
Ein neuer Schlag, der die Welt auf den Kopf stellte, ein neuer Rauchpilz, neues Zittern Gasisulins, hinter dem Kirchenscheiben zerbrachen. »Verzeiht, ihr Heiligen!« schrie Vitali Jakowlewitsch. »Ich bin Laie! Wie konnte ich das vorher wissen?«
Nummer drei war noch schlimmer. Gasisulin wurde von dem unheimlichen Luftdruck herumgeworfen, lag wie ein geplatzter Frosch auf dem Rücken und sah, wie sich der blaue Spätsommerhimmel von Staubwolken verdunkelte. »Herr, verfluche Konstantin!« rief Vitali, am Ende seiner Kraft. »Er hat's gesagt – drei Stangen! Ich bin nur ein armer, getäuschter Mensch! Bitte, laß die vierte Sprengladung nicht losgehen!«
Aber Gott war heute nicht in Satowka. Auch Nummer vier explodierte mit großer Präzision, riß ein Loch in die Erde, als wolle man eine ganze Kompanie Soldaten begraben und überschüttete Gasisulin mit Steinen, Felsbrocken, Erde und Staub. Er bekam kaum noch Luft, schlug um sich und
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