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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich!«
    »Nur dich, Mischa …«, wiederholte sie leise. »O nur dich! Wie schön … Laß es schneien, Mischa laß es schneien. Wir wollen uns zudecken mit Schnee …«
    Es dauerte lange, bis sie einschlief.
    Unterdessen ging der Pope Tigran durch das Dorf, um nochmals jeden kräftigen Mann zu ermahnen, bei der Reparatur des Kirchendachs und seines Hauses mitzuhelfen. Schließlich landete er bei der Witwe Anastasia, die wieder eine herrliche Kascha gekocht hatte – mit Fleischblinis zum Nachtisch. Während des Essens blickte Tigran immer wieder zu dem ›Leeren Haus‹ hinüber. Hinter dem verhängten Wohnzimmerfenster schimmerte Licht.
    »Gibt es nichts Neues?« fragte der Pope und kaute mit vollen Backen.
    »Gar nichts. Er lebt noch. Ab und zu sieht man seinen Schatten am Vorhang vorbeigehen.«
    »Es riecht draußen nach Braten.«
    »Auch ein Kranker hat Hunger. Und Fleisch in Dosen hat er genug mit. Und was wir alles gespendet haben …«
    Tigran seufzte und nahm sich noch einen Blini. Dann rülpste er laut, was Anastasia gern hörte, denn dann hatte es dem Väterchen geschmeckt.
    »Gehen wir schlafen?« fragte er, dehnte seinen mächtigen Brustkorb und schob die Kette mit dem Kreuz über seinen Kopf. Er legte sie auf die Fensterbank und rieb sich die Hände. »Was meinst du, Anastasia Alexejewna?«
    »Wenn Väterchen so guter Laune ist«, erwiderte sie verschämt.
    »Ich bin es! Ich bin es! War das ein großer Tag! Gehen wir also zu Bett …«
    Wodurch wir jetzt wissen, was im Dorf Satowka wirklich niemand wußte: daß nämlich die Witwe Anastasia dem Popen nicht nur Blinis backte und Kascha kochte. Aber wer kann ihr das übelnehmen? Eine saubere Witwe war sie, nicht mehr ganz jung, aber immer noch recht ansehnlich – nicht mehr taufrisch, aber auch noch nicht jenseits der Straße, auf der man in heißere Gefilde fährt …
    Am nächsten Morgen, Natalia schlief noch, erschöpft von einer unruhigen Nacht, in der sie mehrfach, getrieben von ihren wunden Nerven, hochgezuckt war, warf Konstantin Steinchen gegen die blinden Fenster des ›Leeren Hauses‹.
    Tassburg zog seinen Mantel über, trat vor die Haustür und kam auf Konstantin zu.
    »Du Rindvieh!« sagte er halblaut. »So viel Dynamit für die paar Gräber! Wenn wir wieder in Omsk sind, bezahlst du sie! Ich lasse sie dir vom Lohn abziehen!«
    »Ich habe nicht geglaubt, daß dieser Idiot von Totengräber sie tatsächlich anzündet!« stotterte Konstantin. »Einen Witz wollte ich machen …«
    »Aber die Stangen hast du ihm gegeben! Was willst du hier?«
    »Wie geht es Ihnen, Genosse Michail Sofronowitsch?«
    »Miserabel! Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, ein Ziehen in den Beinen, keinen Appetit. Ich brüte eine Grippe aus, das sage ich dir! Manchmal flimmert es mir auch vor den Augen! Hoffentlich gibt das keine Lungenentzündung! Genosse Pribylow soll weiterhin die Leitung des Bohrtrupps übernehmen. Ich falle für ein paar Wochen aus.«
    »Das glaubt er auch.« Konstantins Gesicht glänzte vor Stolz über das, was er jetzt zu melden hatte: »Wir haben sofort nach Batkit gefunkt, daß Sie sehr krank sind …«
    »Was habt ihr?« fragte Tassburg gepreßt.
    »Wir wollen Ihnen alle helfen! Wir haben einen Notruf hinausgeschickt.«
    »O Gott!« sagte Tassburg erschüttert. »Und was nun? Werden sie mich etwa in einem Hubschrauber abholen?«
    So wird es sein, dachte er und geriet in eine innere Panik. Sie holen mich ab ins nächste Krankenhaus … Und wenn sie mich abholen, ist Natalia allein! Und dann weiß ich genau … ich werde sie nie mehr wiedersehen …
    »Wann landen sie?« fragte er grob.
    »Gar nicht. Die Genossen wußten einen anderen Rat: Sie schicken einen Arzt!«
    »Einen Arzt? Nach Satowka? Wie soll der denn herkommen?«
    »Mit einem alten Jeep aus dem Großen Vaterländischen Krieg. Geschenk von Ami!«
    »Und das konnte man nicht verhindern?«
    »Warum denn verhindern? Ihre schwere Erkrankung, Genosse …«, stotterte der unglückliche Konstantin.
    »Ich brauche keinen Arzt mehr!«
    »Eine Ärztin war nicht aufzutreiben!«
    »Idiot! Funkt nach Batkit, der Arzt soll dortbleiben.«
    »Zu spät. Er ist schon unterwegs.«
    »Dann schickt ihn wieder zurück! Ich will den Kerl nicht sehen!«
    »Wir werden versuchen, ihm das beizubringen, Genosse Tassburg.« Konstantin, der es so gut gemeint hatte, begriff nicht, warum der Genosse Projektleiter so uneinsichtig und undankbar war. »Aber vielleicht hat er doch ein Mittelchen bei sich, das hilft … Wenn's

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