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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ich bin ja jetzt verschwunden. Das ist gemeldet worden, vermute ich.«
    »Und da macht ihr euch Sorgen?« rief Plachunin. »Bei dieser einfachen Lage? Ihr tretet morgen früh vor die Tür, gebt euch einen Kuß, und ganz Satowka wird begeistert ›Hej! Hej!‹ schreien. Dafür sorge ich, sonst kriegen sie alle noch mal ein Klistier!«
    »So einfach ist das nicht, Ostap Germanowitsch«, erwiderte Tassburg und entkorkte die zweite Flasche. »Natalia nimmt nur an, daß Kassugai die Behörden nicht eingesetzt hat. Wissen kann sie es nicht! Man muß deshalb in Mutorej als erstes mit den Eltern sprechen. Erst dann haben wir volle Klarheit.«
    »Der Kerl hat schon wieder recht!« sagte Dr. Plachunin. »Es ist furchtbar, immer hat er recht! Als Frau könnte ich mit einem solchen Mann nie leben!«
    »Es ist nur ein kleiner Teil von dem, was ich an ihm liebe«, sagte Natalia leise. »Er weiß alles … er ist klug …«
    »Aber doch nicht klug genug, um an das Nächste zu denken!«
    »Und das wäre, Doktor?« fragte Tassburg und goß das Glas des Doktors bis zum Rand voll.
    »Der Pope!«
    »Was soll Tigran Rassulowitsch dabei?«
    »Das tun, was seine verdammte Pflicht als Priester ist: euch trauen! Als Ehepaar kann man euch viel leichter ausfliegen lassen! Na, verstehen Sie, Michail? Wenn ihr nicht verheiratet seid, könnte man doch sagen: Ach, er hat sich ein Mädchen angelacht, ein kleines Taigakätzchen. Das kann später nachkommen! Aber wenn ihr Mann und Frau seid, müssen sie euch beide mitnehmen! Leuchtet das ein?«
    »Ausgerechnet Tigran? Ist es kein Risiko, ihn einzuweihen? Er war wie verrückt auf Kassugais Kopfgeld!« sagte Tassburg. »Außerdem wird er dieses Haus nie betreten! Und in der Kirche trauen … das geht überhaupt nicht, bevor Natalia offiziell auftauchen kann.«
    »Überlaßt das mir, Freunde!« sagte Dr. Plachunin milde. »Mit dem Halunken Tigran rede ich! Er ist zwar ein Berg von Mensch, aber ich kann in ihn hineinkriechen wie die Made in einen löcherigen Käse! Der Pope wird kommen und euch hier in diesem Zimmer trauen!«
    »Niemals!« sagte Tassburg fest.
    »Und ich bin Trauzeuge! Und ganz Satowka wird es erleben – von draußen natürlich, ohne recht zu wissen, was hier drin los ist! Bereiten Sie alles vor, Tassburg … morgen um diese Zeit wird euch Tigran segnen und selbst einen Hochzeitschoral donnern!« Der Doktor betrachtete die Flasche und schien zu rechnen. »Ich bleibe noch eine halbe Stunde, Michail. Die Flasche muß geleert werden! Halten Sie es noch eine halbe Stunde ohne Natalia aus?«
    »Für diese Frage müßte ich Sie gleich vor die Tür setzen, Doktor!«
    »Aber Sie tun's nicht!« rief der kleine Arzt fröhlich. »Zum Teufel, ist das schön, einen Freund zu haben, auch wenn er in bestimmten Lebenslagen sich so dämlich benimmt wie Sie …«

X
    Tigran Rassulowitsch Krotow, der Pope von Satowka, konnte auf ein reiches Leben zurückblicken, so daß er sich es abgewöhnt hatte, über ungewöhnliche Dinge über Gebühr verwundert zu sein. Meistens brüllte er los und löste bis jetzt auf diese einfache Weise alle Probleme. In Satowka war das eben möglich.
    Das Mittagessen des nächsten Tages würde Tigran so bald nicht mehr vergessen.
    »Im Dorf will jemand heiraten!« sagte Dr. Plachunin, vorsichtig, gewissermaßen psychologisch vorgehend. Er aß mit Tigran Rassulowitsch zu Mittag und biß gerade in ein Bratenstück.
    »Das ist mir neu!« antwortete der Pope und rülpste verhalten. »Wieso wissen Sie das und nicht ich als Pope?«
    »Weil ich es auch erst seit gestern nacht weiß.«
    »Ha! Haben sie die beiden bei der tätigen Sünde überrascht?«
    »Reden Sie keinen solchen Unsinn!« sagte Plachunin scharf. »Und hören Sie auf, vor mir den Moralapostel zu spielen. An der Witwe Anastasia interessiert Sie nicht nur ihr Blinibacken! Sie kommen heute nacht mit mir und trauen ein Paar!«
    »In der Nacht?«
    »Ja. Eine Haustrauung.«
    »Abgelehnt! Eheschließungen finden vor Gott und nur am Tage statt! In der Kirche! Oder gar nicht.«
    »Sie sollen Michail Sofronowitsch Tassburg trauen.«
    Tigran erbleichte und ließ Messer und Gabel fallen – anscheinend war Plachunins psychologisches Vorgehen veraltet. »Den Genossen Tassburg?« stammelte Tigran. »Im ›Leeren Haus‹? Trauen? Etwa mit der Gräfin Albina? Ich falle gleich vom Stuhl, Ostap Germanowitsch!«
    »Auch das ändert nichts an der Tatsache, daß Sie Tassburg trauen sollen! Ich war übrigens schon sechsmal in dem verfluchten

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