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Nathalie küsst

Nathalie küsst

Titel: Nathalie küsst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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allergisch.»
    «…»
    «Damit ist die Geschichte vom Tisch. Ich werde nie so sein wie Sie. Ich werde Nathalie nie für mich gewinnen. Alles wegen der verdammten Fische.»

 
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    Einige fachliche Erläuterungen zum Thema Fischallergien
    Fischallergien kommen gar nicht so selten vor. Sie sind in Frankreich die am vierthäufigsten auftretende Allergieform. Sobald eine Fischallergie festgestellt wird, wirft dies die Frage auf, ob die Allergie gegen eine oder gegen mehrere Fischarten besteht. In der Praxis ist die Hälfte der Patienten, die an einer Allergie gegen eine bestimmte Fischart leiden, auch gegen andere Fischarten allergisch. Zur Diagnostizierung von Kreuzallergien sind Hauttests, und falls diese zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen, Provokationstests (mit der jeweiligen Fischart) erforderlich. Um eine Antwort auf die Frage zu liefern, ob manche Fischarten eher dazu neigen, allergische Reaktionen hervorzurufen als andere, hat eine Forschergruppe zur Ermittlung von Kreuzreaktionen Vergleichstests mit neun Fischarten durchgeführt: mit dem Kabeljau, dem Lachs, dem Wittling, der Makrele, dem Thunfisch, dem Hering, dem Barsch, dem Butt und der Scholle. Daraus geht hervor, dass Thunfisch und Makrele (die beide der Familie der Scombridae angehören) am leichtesten verträglich sind, gefolgt von den Plattfischen wie Butt oder Scholle, die ebenfalls als leichtverträglich gelten können. Kabeljau, Lachs, Wittling, Hering und Barsch riefen hingegen beträchtlicheKreuzreaktionen hervor, das heißt, wenn Sie nun gegen eine dieser Fischarten allergisch sind, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Sie es auch gegen andere sind.

 
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    Nach der fischallergischen Enthüllung ging das Dinner in das Reich des Schweigens ein. Markus versuchte mehrmals, die Konversation wieder in Schwung zu bringen, doch vergeblich. Charles aß nicht, trank nur. Sie gaben das Bild eines alten Ehepaars ab, das sich nichts mehr zu sagen hat. Das sich in einer Art innerer Andacht dahintreiben lässt. Indes läuft gnädig die Zeit (und so vergehen mitunter ganze Jahre).
    Als sie das Lokal verlassen hatten, musste Markus seinen Chef im Zaum halten. In dem Zustand konnte er nicht Auto fahren. Markus wollte ihn so schnell wie möglich in ein Taxi setzen. Er hatte es eilig, endlich einen Schlussstrich unter diesen qualvollen Abend zu ziehen. Doch, schlechte Neuigkeiten, die frische Luft weckte in Charles erneut die Lebensgeister. Er wollte noch etwas unternehmen.
    «Markus, lassen Sie mich nicht allein. Ich möchte mich noch mit Ihnen unterhalten.»
    «Aber Sie sagen doch schon seit einer Stunde keinen Ton mehr. Und außerdem sind Sie betrunken, fahren Sie lieber nach Hause.»
    «Ach, jetzt hören Sie mal auf, den Vernünftigen zu spielen! Sie sind ja ein richtiger Langweiler! Wir trinken noch ein letztes Gläschen, und dann ist Schluss. Das ist ein Befehl!»
    Markus hatte keine Wahl.
    Sie fanden sich in einer Art Nachtlokal ein, in dem sich Leute fortgeschrittenen Alters lasziv aneinander rieben. Es war keine Tanzveranstaltung im eigentlichen Sinne, aber so ähnlich. Sie ließen sich auf einer rosa Sitzbank nieder und bestellten zwei Kräutertees. Hinter ihnen prangte ein gewagter Kunstdruck, der so etwas wie ein Stillleben darstellte, ein Grabesstillleben. Charles wirkte nun ruhiger. Doch schien es auch wieder abwärts mit ihm zu gehen. Ein unbeschreiblicher Überdruss legte sich über sein Gesicht. Er dachte an die verstrichenen Jahre zurück, an die Zeit nach der Tragödie, als Nathalie in die Firma zurückkehrte. Der Anblick dieser am Boden zerstörten Frau hatte ihm keine Ruhe gelassen. Wie können einen Details, winzige Gesten so prägen, dass diese flüchtigen Momente für eine ganze Epoche stehen? Nathalies Gesicht verfinsterte in der Erinnerung das Bild seiner beruflichen Karriere und das seiner Familie. Er hätte über Nathalies Knie ein Buch schreiben können und war andererseits nicht einmal imstande, den Namen des Lieblingssängers seiner Tochter zu nennen. Seinerzeit hatte er sich damit abgefunden. Er hatte begriffen, dass sie nicht bereit war für ein neues Leben. Doch im Grunde hatte er nicht aufgehört zu hoffen. Jetzt war ihm alles egal: Sein Leben erschien ihm erbärmlich. Er hatte ein beklemmendes Gefühl. Angesichts der Finanzkrise waren die Schweden nervös. Island hatte am Rande desBankrotts gestanden, und das hatte einige Sicherheiten über den Haufen geworfen. Er bekam auch zu spüren, dass der Unmut über die

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