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Nathalie küsst

Nathalie küsst

Titel: Nathalie küsst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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gesagt habe: Ich wollte einmal Künstler werden … Ja, ich weiß, das alte Lied … aber als Kind habe ich wirklich leidenschaftlich gern Schiffchen gezeichnet … Das war mein ganzes Glück … Ich hatte eine stolze Sammlung von Miniaturgondeln … ich verbrachte Stunden damit, sie abzumalen … ich war akribisch genau in allen Einzelheiten … Wie gern hätte ich weitergemalt … wie gern hätte ich mich in diesem Lebensstil der gemütlichen Raserei eingerichtet … Stattdessen stopfe ich jetzt den ganzen Tag Knäckebrot in mich rein … und diese Tage scheinen kein Ende nehmen zu wollen … und sie ähneln sich alle, so wie die Chinesen sich alle ähneln … Und mein Sexualleben … meine Frau … also das ist komisch … Sprechen wir lieber nicht davon … aber mir wird jetzt alles klar … Wenn ich Sie anschaue, wird mir alles klar …»
    Charles unterbrach auf einmal seinen Monolog. Markus schaute betreten drein. Ein Fremder, der einem sein Herz ausschüttet, bringt einen immer in eine schwierige Lage, und wenn es sich bei dem Unbekannten um den eigenen Chef handelt, wird die Lage nicht leichter. Er konnte lediglich versuchen, mit scherzhaften Beiträgen die Atmosphäre aufzulockern.
    «Das ist Ihnen wirklich alles klar geworden, als Sie mich angeschaut haben? So einen starken Eindruck mache ich auf Sie? Und in so kurzer Zeit …?»
    «Und außerdem haben Sie viel Sinn für Humor. Sie sind wirklich ein Genie. Sie stehen mit Marx und Einstein auf einer Stufe.»
    Markus fand auf diesen etwas überzogenen Ausspruch keine passende Antwort. Zum Glück tauchte der Kellner auf:
    «Haben Sie sich entschieden?»
    «Ja, ich will Fleisch», sagte Charles. «Blutiges.»
    «Und für mich Fisch, bitte.»
    «Sehr wohl, meine Herren», erwiderte der Kellner und ging davon.
    Er war keine zwei Meter weit gekommen, als Charles ihn zurückbeorderte:
    «Ich glaube, ich nehme doch das Gleiche wie der Herr. Für mich auch Fisch, bitte.»
    «Sehr wohl, ist notiert», bemerkte der Kellner und ging wieder davon.
    Nach einer Gesprächspause offenbarte Charles:
    «Ich habe einen Entschluss gefasst: Ab jetzt mache ich alles so wie Sie.»
    «Sie machen alles so wie ich?»
    «Ja, Sie sind für mich so eine Art Mentor.»
    «Wissen Sie, wenn Sie alles so machen wollen wie ich, da brauchen Sie nicht viel zu machen.»
    «Einspruch. Ihr Jackett zum Beispiel. Ich denke, ich sollte das Gleiche tragen. Ich sollte allgemein das Gleiche tragen wie Sie. Sie haben einen einmaligen Stil. Das ist allesextrem durchdacht; man merkt, dass Sie nichts dem Zufall überlassen. Und bei den Frauen kommt das an. Hä, das kommt an, oder?»
    «Öh ja, keine Ahnung. Ich kann Ihnen das Jackett ja mal leihen, wenn Sie möchten.»
    «Ha! Das ist typisch für Ihre Art: die Liebenswürdigkeit in Person. Ich sage, mir gefällt Ihr Jackett, und schon wollen Sie mir es leihen. Da geht einem doch das Herz auf. Ich halte fest, ich habe im Leben nicht oft genug meine Jacketts verliehen. In Bezug auf meine Jacketts war ich immer ein unsäglicher Egoist.»
    Markus schwante, dass er sagen konnte, was er wollte, es würde alles unweigerlich für genial befunden werden. Er sah sich einem Mann gegenüber, der ihn durch einen Filter der Bewunderung hindurch, um nicht zu sagen: durch einen Filter der tiefsten Verehrung betrachtete. Im Zuge seiner Recherchen bat Charles:
    «Erzählen Sie mir mehr von sich.»
    «Um ehrlich zu sein, denke ich gar nicht so viel über mich nach.»
    «Ha! Da haben wir’s! Mein Problem ist, dass ich zu viel nachdenke. Ich frage mich ständig, was die anderen von etwas halten. Ich sollte mich mehr in stoischer Gelassenheit üben.»
    «Dazu müssten Sie nun Schwede sein.»
    «Aha! Sehr lustig! Sie werden mir beibringen müssen, wie man so lustig wird. Was sind das für ausgeschlafene Antworten! Ich trinke auf Ihre Gesundheit! Darf ich Ihnen noch was einschenken?»
    «Nein, ich glaube, ich hab schon genug getrunken.»
    «Und welch eine Selbstbeherrschung! Nun gut, in diesem Punkt gestatte ich mir, es nicht so zu machen wie Sie. Ich genehmige es mir, ein wenig abzuweichen.»
    Daraufhin erschien der Kellner mit den beiden Fischen und wünschte einen guten Appetit. Sie begannen, ihre Mahlzeit einzunehmen. Da sah Charles unvermittelt von seinem Teller auf:
    «Ich bin ein richtiger Trottel. Ist ja lächerlich, die ganze Sache.»
    «Wie?»
    «Ich hasse Fisch.»
    «Ach …»
    «Und das Schlimmste kommt erst noch.»
    «Ach ja?»
    «Ich bin gegen Fisch

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