Nathan der Weise
- Komm vor itzt nur mit
In meinen Haram, eine Sängerin
Zu hören, die ich gestern erst gekauft.
Es reift indes bei mir vielleicht ein Anschlag,
Den ich auf diesen Nathan habe. - Komm!
VIERTER
AUFTRITT
(Szene: vor dem Hause des Nathan, wo es an die Palmen stößt.) Recha und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja.
RECHA.
Ihr habt Euch sehr verweilt, mein Vater. Er
Wird kaum noch mehr zu treffen sein.
NATHAN. Nun,
nun;
Wenn hier, hier untern Palmen schon nicht mehr:
Doch anderwärts. - Sei itzt nur ruhig. - Sieh!
Kömmt dort nicht Daja auf uns zu?
RECHA. Sie
wird
Ihn ganz gewiß verloren haben.
NATHAN. Auch
Wohl
nicht.
RECHA.
Sie würde sonst geschwinder kommen.
NATHAN.
Sie hat uns wohl noch nicht gesehn …
RECHA. Nun
sieht
Sie
uns.
NATHAN.
Und doppelt ihre Schritte. Sieh! -
Sei doch nur ruhig! ruhig!
RECHA. Wolltet
Ihr
Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre?
Sich unbekümmert ließe, wessen Wohltat
Ihr Leben sei? Ihr Leben, - das ihr nur
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So lieb, weil sie es Euch zuerst verdanket.
NATHAN.
Ich möchte dich nicht anders, als du bist:
Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele
Ganz
etwas
anders noch sich rege.
RECHA. Was,
Mein
Vater?
NATHAN.
Fragst du mich? so schüchtern mich?
Was auch in deinem Innern vorgeht, ist
Natur und Unschuld. Laß es keine Sorge
Dir machen. Mir, mir macht es keine. Nur
Versprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher
Sich einst erklärt, mir seiner Wünsche keinen
Zu
bergen.
RECHA.
Schon die Möglichkeit, mein Herz
Euch lieber zu verhüllen, macht mich zittern.
NATHAN.
Nichts mehr hiervon! Das ein für allemal
Ist abgetan. - Da ist ja Daja. - Nun?
DAJA.
Noch wandelt er hier untern Palmen; und
Wird gleich um jene Mauer kommen. - Seht,
Da kömmt er!
RECHA.
Ah! und scheinet unentschlossen,
Wohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts?
Ob
links?
DAJA.
Nein, nein; er macht den Weg ums Kloster
Gewiß noch öfter; und dann muß er hier
Vorbei. - Was gilt’s?
RECHA.
Recht! recht! - Hast du ihn schon
Gesprochen? Und wie ist er heut?
DAJA. Wie
immer.
NATHAN.
So macht nur, daß er Euch hier nicht gewahr
Wird. Tretet mehr zurück. Geht lieber ganz
Hinein.
RECHA.
Nur einen Blick noch! - Ah! die Hecke,
Die mir ihn stiehlt.
DAJA.
Kommt! kommt! Der Vater hat
Ganz recht. Ihr lauft Gefahr, wenn er Euch sieht,
Daß auf der Stell’ er umkehrt.
RECHA. Ah!
die
Hecke!
NATHAN.
Und kömmt er plötzlich dort aus ihr hervor:
So kann er anders nicht, er muß Euch sehen.
Drum geht doch nur!
DAJA.
Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster,
Aus dem wir sie bemerken können.
RECHA. Ja?
(Beide
hinein.)
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FÜNFTER
AUFTRITT
Nathan und bald darauf der Tempelherr.
NATHAN.
Fast scheu ich mich des Sonderlings. Fast macht
Mich seine rauhe Tugend stutzen. Daß
Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen
Soll machen können! - Ha! er kömmt. - Bei Gott!
Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl
Den guten, trotz’gen Blick! den prallen Gang!
Die Schale kann nur bitter sein: der Kern
Ist’s sicher nicht. - Wo sah ich doch dergleichen? -
Verzeihet, edler Franke …
TEMPELHERR. Was?
NATHAN. Erlaubt
…
TEMPELHERR.
Was, Jude? was?
NATHAN.
Daß ich mich untersteh,
Euch
anzureden.
TEMPELHERR.
Kann ich’s wehren? Doch
Nur
kurz.
NATHAN.
Verzieht, und eilet nicht so stolz,
Nicht so verächtlich einem Mann vorüber,
Den Ihr auf ewig Euch verbunden habt.
TEMPELHERR.
Wie das? - Ah, fast errat ich’s. Nicht? Ihr seid …
NATHAN.
Ich heiße Nathan; bin des Mädchens Vater,
Das Eure Großmut aus dem Feu’r gerettet;
Und komme …
TEMPELHERR.
Wenn zu danken: - spart’s! Ich hab
Um diese Kleinigkeit des Dankes schon
Zu viel erdulden müssen. - Vollends Ihr,
Ihr seid mir gar nichts schuldig. Wußt’ ich denn,
Daß dieses Mädchen Eure Tochter war?
Es ist der Tempelherren Pflicht, dem ersten
Dem besten beizuspringen, dessen Not
Sie sehn. Mein Leben war mir ohnedem
In diesem Augenblicke lästig. Gern,
Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit,
Es für ein andres Leben in die Schanze
Zu schlagen: für ein andres - wenn’s auch nur
Das Leben einer Jüdin wäre.
NATHAN. Groß!
Groß und abscheulich! - Doch die Wendung läßt
Sich denken. Die bescheidne Größe flüchtet
Sich hinter das Abscheuliche, um der
Bewundrung auszuweichen. - Aber wenn
Sie so das Opfer der Bewunderung
Verschmäht: was für ein Opfer denn
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