Nathan der Weise
Phantasie
Getäuscht.
SITTAH. Nur
darum
bring ich’s. Aber gib
Doch, gib! Ich will dir das wohl sagen, das
Versteht ein weiblich Aug’ am besten.
SALADIN (zu einem Türsteher, der hereintritt).
Wer
Ist da? - der Tempelherr? - Er komm’!
SITTAH. Euch
nicht
Zu stören: ihn mit meiner Neugier nicht
Zu irren - (Sie setzt sich seitwärts auf einen Sofa und läßt den Schleier fallen.)
SALADIN.
Gut so! gut! - (Und nun sein Ton!
Wie der wohl sein wird! - Assads Ton
Schläft auch wohl wo in meiner Seele noch!)
VIERTER
AUFTRITT
Der Tempelherr und Saladin.
TEMPELHERR. Ich,
dein Gefangner, Sultan …
SALADIN. Mein
Gefangner?
Wem ich das Leben schenke, werd ich dem
Nicht auch die Freiheit schenken?
TEMPELHERR. Was
dir
ziemt
Zu tun, ziemt mir, erst zu vernehmen, nicht
Vorauszusetzen. Aber, Sultan, - Dank,
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Besondern Dank dir für mein Leben zu
Beteuern, stimmt mit meinem Stand und meinem
Charakter nicht. - Es steht in allen Fällen
Zu deinen Diensten wieder.
SALADIN.
Brauch es nur
Nicht wider mich! - Zwar ein paar Hände mehr,
Die gönnt’ ich meinem Feinde gern. Allein
Ihm so ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt
Mir schwer. - Ich habe mich mit dir in nichts
Betrogen, braver junger Mann! Du bist
Mit Seel’ und Leib mein Assad. Sieh! ich könnte
Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit
Gesteckt?
in
welcher Höhle du geschlafen?
In
welchem
Ginnistan, von welcher guten
Div diese Blume fort und fort so frisch
Erhalten worden? Sieh! ich könnte dich
Erinnern wollen, was wir dort und dort
Zusammen ausgeführt. Ich könnte mit
Dir zanken, daß du ein Geheimnis doch
Vor mir gehabt! Ein Abenteuer mir
Doch unterschlagen: - Ja das könnt’ ich; wenn
Ich dich nur säh’, und nicht auch mich. - Nun, mag’s!
Von dieser süßen Träumerei ist immer
Doch so viel wahr, daß mir in meinem Herbst
Ein Assad wieder blühen soll. - Du bist
Es doch zufrieden, Ritter?
TEMPELHERR. Alles,
was
Von dir mir kömmt, - sei was es will - das lag
Als Wunsch in meiner Seele.
SALADIN.
Laß uns das
Sogleich versuchen. - Bliebst du wohl bei mir?
Um mir? - Als Christ, als Muselmann: gleichviel!
Im weißen Mantel, oder Jamerlonk;
Im Tulban, oder deinem Filze: wie
Du willst! Gleichviel! Ich habe nie verlangt,
Daß allen Bäumen eine Rinde wachse.
TEMPELHERR.
Sonst wärst du wohl auch schwerlich, der du bist:
Der Held, der lieber Gottes Gärtner wäre.
SALADIN.
Nun dann; wenn du nicht schlechter von mir denkst:
So wären wir ja halb schon richtig?
TEMPELHERR. Ganz!
SALADIN.
(ihm die Hand bietend) Ein Wort?
TEMPELHERR. (einschlagend)
Ein Mann! - Hiermit empfange mehr
Als du mir nehmen konntest. Ganz der Deine!
SALADIN.
Zuviel Gewinn für einen Tag! zuviel! -
Kam er nicht mit?
TEMPELHERR. Wer?
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SALADIN. Nathan.
TEMPELHERR.
(frostig) Nein. Ich kam
Allein.
SALADIN.
Welch eine Tat von dir! Und welch
Ein weises Glück, daß eine solche Tat
Zum Besten eines solchen Mannes ausschlug.
TEMPELHERR. Ja,
ja!
SALADIN.
So kalt? - Nein, junger Mann! wenn Gott
Was Gutes durch uns tut, muß man so kalt
Nicht sein! - selbst aus Bescheidenheit so kalt
Nicht
scheinen
wollen!
TEMPELHERR.
Daß doch in der Welt
Ein jedes Ding so manche Seiten hat! -
Von denen oft sich gar nicht denken läßt,
Wie sie zusammenpassen!
SALADIN. Halte
dich
Nur immer an die best’, und preise Gott!
Der weiß, wie sie zusammenpassen. - Aber,
Wenn du so schwierig sein willst, junger Mann:
So werd auch ich ja wohl auf meiner Hut
Mich mit dir halten müssen? Leider bin
Auch ich ein Ding von vielen Seiten, die
Oft nicht so recht zu passen scheinen mögen.
TEMPELHERR.
Das schmerzt! - Denn Argwohn ist so wenig sonst
Mein Fehler -
SALADIN.
Nun, so sage doch, mit wem
Du’s hast? - Es schien ja gar, mit Nathan. Wie?
Auf Nathan Argwohn? du? - Erklär dich! sprich!
Komm, gib mir deines Zutrauns erste Probe.
TEMPELHERR.
Ich habe wider Nathan nichts. Ich zürn
Allein mit mir -
SALADIN. Und
über
was?
TEMPELHERR. Daß
mir
Geträumt, ein Jude könn’ auch wohl ein Jude
Zu sein verlernen; daß mir wachend so
Geträumt.
SALADIN.
Heraus mit diesem wachen Traume!
TEMPELHERR.
Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was
Ich für sie tat, das tat ich, - weil ich’s tat.
Zu stolz, Dank einzuernten, wo ich ihn
Nicht säete, verschmäht’ ich Tag für Tag,
Das Mädchen noch einmal zu sehn. Der
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