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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Bruder und

    das Gefolge zurücktreten)

    Nun, Herr Ritter! - Sehr erfreut,

    Den braven jungen Mann zu sehn! - Ei, noch

    So gar jung! - Nun, mit Gottes Hilfe, daraus

    Kann etwas werden.
    TEMPELHERR. Mehr,
    ehrwürd’ger
    Herr,

    Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch,
    Was
    weniger.
    PATRIARCH.
    Ich wünsche wenigstens,

    Daß so ein frommer Ritter lange noch

    69

    Der lieben Christenheit, der Sache Gottes

    Zu Ehr’ und Frommen blühn und grünen möge!

    Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein

    Die junge Tapferkeit dem reifen Rate

    Des Alters folgen will! - Womit wär’ sonst

    Dem Herrn zu dienen?
    TEMPELHERR.
    Mit dem nämlichen,

    Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rat.
    PATRIARCH.
    Recht gern! - Nur ist der Rat auch anzunehmen.
    TEMPELHERR. Doch
    blindlings
    nicht?
    PATRIARCH.
    Wer sagt denn das? - Ei freilich

    Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm gab,

    Zu brauchen unterlassen, - wo sie hin -

    Gehört. - Gehört sie aber überall

    Denn hin? - O nein! - Zum Beispiel: wenn uns Gott

    Durch einen seiner Engel, - ist zu sagen,

    Durch einen Diener seines Worts, - ein Mittel

    Bekannt zu machen würdiget, das Wohl
    Der
    ganzen
    Christenheit, das Heil der Kirche,

    Auf irgendeine ganz besondre Weise

    Zu fördern, zu befestigen: wer darf

    Sich da noch unterstehn, die Willkür des,

    Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft

    Zu untersuchen? und das ewige

    Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach

    Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre

    Zu prüfen? - Doch hiervon genug. - Was ist

    Es denn, worüber unsern Rat für itzt
    Der
    Herr
    verlangt?
    TEMPELHERR. Gesetzt,
    ehrwürd’ger
    Vater,

    Ein Jude hätt’ ein einzig Kind, - es sei

    Ein Mädchen, - das er mit der größten Sorgfalt

    Zu allem Guten auferzogen, das

    Er liebe mehr als seine Seele, das

    Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe.

    Und nun würd’ unsereinem hinterbracht,

    Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht;

    Er hab’ es in der Kindheit aufgelesen,

    Gekauft, gestohlen, - was Ihr wollt; man wisse,

    Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei

    Getauft; der Jude hab’ es nur als Jüdin

    Erzogen; lass’ es nur als Jüdin und

    Als seine Tochter so verharren: - sagt,

    Ehrwürd’ger Vater, was wär’ hierbei wohl
    Zu
    tun?
    PATRIARCH.
    Mich schaudert! Doch zu allererst

    Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall

    Ein Faktum oder eine Hypothes’.

    70

    Das ist zu sagen: ob der Herr sich das

    Nur bloß so dichtet, oder ob’s geschehn,

    Und fortfährt zu geschehn.
    TEMPELHERR.
    Ich glaubte, das

    Sei eins, um Euer Hochehrwürden Meinung
    Bloß
    zu
    vernehmen.
    PATRIARCH.
    Eins? - Da seh’ der Herr

    Wie sich die stolze menschliche Vernunft

    Im Geistlichen doch irren kann - Mitnichten!

    Denn ist der vorgetragne Fall nur so

    Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich

    Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken.

    Ich will den Herrn damit auf das Theater
    Verwiesen
    haben,
    wo dergleichen pro

    Et contra sich mit vielem Beifall könnte

    Behandeln lassen. - Hat der Herr mich aber

    Nicht bloß mit einer theatral’schen Schnurre

    Zum besten; ist der Fall ein Faktum; hätt’

    Er sich wohl gar in unsrer Diözes’,

    In unsrer lieben Stadt Jerusalem

    Ereignet: - ja alsdann -
    TEMPELHERR.
    Und was alsdann?
    PATRIARCH.
    Dann wäre an dem Juden fördersamst

    Die Strafe zu vollziehn, die päpstliches

    Und kaiserliches Recht so einem Frevel,

    So einer Lastertat bestimmen.
    TEMPELHERR. So?
    PATRIARCH.
    Und zwar bestimmen obbesagte Rechte

    Dem Juden, welcher einen Christen zur

    Apostasie verführt, - den Scheiterhaufen, -
    Den
    Holzstoß
    -
    TEMPELHERR. So?
    PATRIARCH.
    Und wieviel mehr dem Juden,

    Der mit Gewalt ein armes Christenkind

    Dem Bunde seiner Tauf’ entreißt! Denn ist

    Nicht alles, was man Kindern tut, Gewalt? -

    Zu sagen: - ausgenommen, was die Kirch’

    An Kindern tut.
    TEMPELHERR.
    Wenn aber nun das Kind,

    Erbarmte seiner sich der Jude nicht,

    Vielleicht im Elend umgekommen wäre?
    PATRIARCH.
    Tut nichts! der Jude wird verbrannt! - Denn besser,

    Es wäre hier im Elend umgekommen,

    Als daß zu seinem ewigen Verderben

    Es so gerettet ward. - Zudem, was hat

    Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott

    Kann, wen er retten will, schon ohn’ ihn retten.
    TEMPELHERR.
    Auch trotz ihm sollt’ ich meinen, - selig machen.

    71
    PATRIARCH.
    Tut nichts! der Jude wird verbrannt.
    TEMPELHERR. Das
    geht

    Mir nah’! Besonders, da man sagt, er habe

    Das Mädchen nicht sowohl in seinem,

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