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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Vater

    War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf;

    Er dankt; er wünscht, daß seine Tochter mir

    Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht

    Von heitern Fernen. - Nun, ich lasse mich

    Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich

    Ein Mädchen … Ah, ich muß mich schämen, Sultan! -

    76
    SALADIN.
    Dich schämen? - daß ein Judenmädchen auf

    Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr?
    TEMPELHERR.
    Daß diesem Eindruck, auf das liebliche

    Geschwätz des Vaters hin, mein rasches Herz

    So wenig Widerstand entgegensetzte! -

    Ich Tropf! ich sprang zum zweitenmal ins Feuer. -

    Denn nun warb ich, und nun ward ich verschmäht.
    SALADIN. Verschmäht?
    TEMPELHERR.
    Der weise Vater schlägt nun wohl

    Mich platterdings nicht aus. Der weise Vater

    Muß aber doch sich erst erkunden, erst

    Besinnen. Allerdings! Tat ich denn das

    Nicht auch? Erkundete, besann ich denn

    Mich erst nicht auch, als sie im Feuer schrie? -

    Fürwahr! bei Gott! Es ist doch gar was Schönes,

    So weise, so bedächtig sein!
    SALADIN. Nun,
    nun!

    So sieh doch einem Alten etwas nach!

    Wie lange können seine Weigerungen

    Denn dauern? Wird er denn von dir verlangen,

    Daß du erst Jude werden sollst?
    TEMPELHERR. Wer
    weiß!
    SALADIN.
    Wer weiß? - der diesen Nathan besser kennt.
    TEMPELHERR.
    Der Aberglaub’, in dem wir aufgewachsen,

    Verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum

    Doch seine Macht nicht über uns. - Es sind

    Nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.
    SALADIN.
    Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich, Nathan …
    TEMPELHERR. Der
    Aberglauben
    schlimmster ist, den seinen

    Für den erträglichern zu halten …
    SALADIN. Mag

    Wohl sein! Doch Nathan …
    TEMPELHERR. Dem
    allein

    Die blöde Menschheit zu vertrauen, bis

    Sie hellern Wahrheitstag gewöhne; dem
    Allein
    …
    SALADIN.
    Gut! Aber Nathan! - Nathans Los

    Ist diese Schwachheit nicht.
    TEMPELHERR.
    So dacht’ ich auch! …

    Wenn gleichwohl dieser Ausbund aller Menschen

    So ein gemeiner Jude wäre, daß

    Er Christenkinder zu bekommen suche,

    Um sie als Juden aufzuziehn: - wie dann?
    SALADIN.
    Wer sagt ihm so was nach?
    TEMPELHERR.
    Das Mädchen selbst,

    Mit welcher er mich körnt, mit deren Hoffnung

    Er gern mir zu bezahlen schiene, was

    Ich nicht umsonst für sie getan soll haben: -

    77

    Dies Mädchen selbst ist seine Tochter - nicht;
    Ist
    ein
    verzettelt Christenkind.
    SALADIN. Das
    er

    Dem ungeachtet dir nicht geben wollte?
    TEMPELHERR. (heftig)

    Woll’ oder wolle nicht! Er ist entdeckt.

    Der tolerante Schwätzer ist entdeckt!

    Ich werde hinter diesen jüd’schen Wolf

    Im philosoph’schen Schafpelz Hunde schon

    Zu bringen wissen, die ihn zausen sollen!
    SALADIN. (ernst)
    Sei
    ruhig,
    Christ!
    TEMPELHERR.
    Was? ruhig Christ? - Wenn Jud’

    Und Muselmann, auf Jud’, auf Muselmann

    Bestehen: soll allein der Christ den Christen
    Nicht
    machen
    dürfen?
    SALADIN.
    (noch ernster) Ruhig, Christ!
    TEMPELHERR. (gelassen)
    Ich
    fühle

    Des Vorwurfs ganze Last, - die Saladin

    In diese Silbe preßt! Ah, wenn ich wüßte,

    Wie Assad, - Assad sich an meiner Stelle

    Hierbei genommen hätte!
    SALADIN.
    Nicht viel besser! -

    Vermutlich ganz so brausend! - Doch, wer hat

    Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er

    Mit einem Worte zu bestechen? Freilich

    Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest:

    Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. -

    Indes, er ist mein Freund, und meiner Freunde

    Muß keiner mit dem andern hadern. - Laß

    Dich weisen! Geh behutsam! Gib ihn nicht

    Sofort den Schwärmern deines Pöbels preis!

    Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm

    Zu rächen, mir so nahe legen würde!

    Sei keinem Juden, keinem Muselmanne

    Zum Trotz ein Christ!
    TEMPELHERR.
    Bald wär’s damit zu spät!

    Doch dank der Blutbegier des Patriarchen,

    Des Werkzeug mir zu werden graute!
    SALADIN. Wie?

    Du kamst zum Patriarchen eher, als
    Zu
    mir?
    TEMPELHERR.
    Im Sturm der Leidenschaft, im Wirbel
    Der
    Unentschlossenheit!
    - Verzeih! - Du wirst

    Von deinem Assad, fürcht ich, ferner nun

    Nichts mehr in mir erkennen wollen.
    SALADIN. Wär’

    Es diese Furcht nicht selbst! Mich dünkt, ich weiß,

    78

    Aus welchen Fehlern unsre Tugend keimt.

    Pfleg diese ferner nur, und jene sollen

    Bei mir dir wenig schaden. - Aber geh!

    Such du nun Nathan, wie er dich gesucht;

    Und bring ihn her. Ich muß euch doch zusammen

    Verständigen. - Wär’ um das Mädchen dir

    Im Ernst zu tun: sei ruhig. Sie ist dein!

    Auch soll es Nathan schon

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