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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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bin
    Auf Geld gefasst; und er will – Wahrheit. Wahrheit!
    Und will sie so, – so bar, so blank, – als ob
    Die Wahrheit Münze wäre! – Ja, wenn noch
    1870
    Uralte Münze, die gewogen ward! –
    Das ginge noch! Allein so neue Münze,
    Die nur der Stempel macht, die man aufs Brett
    Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht!
    Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf
    Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?
    Ich oder er? – Doch wie? Sollt er auch wohl
    Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern? – Zwar,
    Zwar der Verdacht, dass er die Wahrheit nur
    Als Falle brauche, wär auch gar zu klein! –
    1880
    Zu klein? – Was ist für einen Großen denn
    Zu klein? – Gewiss, gewiss: er stürzte mit
    Der Türe so ins Haus! Man pocht doch, hört
    Doch erst, wenn man als Freund sich naht. – Ich muss
    Behutsam gehn! – Und wie? wie das? – So ganz
    Stockjude sein zu wollen, geht schon nicht. –
    Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder.
    Denn, wenn kein Jude, dürft er mich nur fragen,
    Warum kein Muselmann? – Das war’s! Das kann
    Mich retten! – Nicht die Kinder bloß, speist man
    1890
    Mit Märchen ab. – Er kömmt. Er komme nur!
Siebenter Auftritt
    SALADIN
und
NATHAN .
    SALADIN . (So ist das Feld hier rein!) – Ich komm dir doch
    Nicht zu geschwind zurück? Du bist zu Rande
    Mit deiner Überlegung. – Nun so rede!
    Es hört uns keine Seele.
    NATHAN .                                Möcht auch doch
    Die ganze Welt uns hören.
    SALADIN .                                    So gewiss
    Ist Nathan seiner Sache? Ha! das nenn
    Ich einen Weisen! Nie die Wahrheit zu
    Verhehlen! für sie alles auf das Spiel
    Zu setzen! Leib und Leben! Gut und Blut!
    NATHAN . Ja! ja! wann’s nötig ist und nutzt.
    1900
    SALADIN .                                                                Von nun
    An darf ich hoffen, einen meiner Titel,
    Verbesserer der Welt und des Gesetzes,
    Mit Recht zu führen.
    NATHAN .                           Traun, ein schöner Titel!
    Doch, Sultan, eh ich mich dir ganz vertraue,
    Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen zu
    Erzählen?
    SALADIN .      Warum das nicht? Ich bin stets
    Ein Freund gewesen von Geschichtchen, gut
    Erzählt.
    NATHAN .   Ja, gut erzählen, das ist nun
    Wohl eben meine Sache nicht.
    SALADIN .                                           Schon wieder
    1910
    So stolz bescheiden? – Mach! erzähl, erzähle!
    NATHAN . Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Osten,
    Der einen Ring von unschätzbarem Wert’
    Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein
    Opal , der hundert schöne Farben spielte,
    Und hatte die geheime Kraft, vor Gott
    Und Menschen angenehm zu machen, wer
    In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,
    Dass ihn der Mann in Osten darum nie
    Vom Finger ließ; und die Verfügung traf,
    1920
    Auf ewig ihn bei seinem Hause zu
    Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring
    Von seinen Söhnen dem geliebtesten;
    Und setzte fest, dass dieser wiederum
    Den Ring von seinen Söhnen dem vermache,
    Der ihm der liebste sei; und stets der Liebste,
    Ohn Ansehn der Geburt, in Kraft allein
    Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. –
    Versteh mich, Sultan.
    SALADIN .                            Ich versteh dich. Weiter!
    NATHAN . So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
    1930
    Auf einen Vater endlich von drei Söhnen;
    Die alle drei ihm gleich gehorsam waren,
    Die alle drei er folglich gleich zu lieben
    Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit
    Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald
    Der dritte, – sowie jeder sich mit ihm
    Allein befand, und sein ergießend Herz
    Die andern zwei nicht teilten, – würdiger
    Des Ringes; den er denn auch einem jeden
    Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.
    1940
    Das ging nun so, solang es ging. – Allein
    Es kam zum Sterben, und der gute Vater
    Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei
    Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort
    Verlassen, so zu kränken. – Was zu tun? –
    Er sendet in geheim zu einem Künstler,
    Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes,
    Zwei andere bestellt, und weder Kosten
    Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich,
    Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt
    1950
    Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt,
    Kann selbst der Vater seinen Musterring
    Nicht unterscheiden. Froh und

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