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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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           Ihr sollt ihn erst sehn,
    Nach Hofe sich erheben. Itzo kömmt
    Er nur von einem Kranken.
    TEMPELHERR .                               Wie sich da
    Nicht Saladin wird schämen müssen!
    PATRIARCH
(indem er näher kömmt, winkt dem Bruder)
.
                                                        Hier! –
    2460
    Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will
    Er?
    KLOSTERBRUDER .
           Weiß nicht.
    PATRIARCH
(auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge zurücktreten)
.
                             Nun, Herr Ritter! – Sehr erfreut
    Den braven jungen Mann zu sehn! – Ei, noch
    So gar jung! – Nun, mit Gottes Hülfe, daraus
    Kann etwas werden.
    TEMPELHERR .                 Mehr, ehrwürd’ger Herr,
    Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch,
    Was weniger.
    PATRIARCH .          Ich wünsche wenigstens,
    Dass so ein frommer Ritter lange noch
    Der lieben Christenheit, der Sache Gottes
    Zu Ehr’ und Frommen blühn und grünen möge!
    2470
    Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein
    Die junge Tapferkeit dem reifen Rate
    Des Alters folgen will! – Womit wär sonst
    Dem Herrn zu dienen?
    TEMPELHERR .                     Mit dem nämlichen,
    Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rat.
    PATRIARCH .
    Recht gern! – Nur ist der Rat auch anzunehmen.
    TEMPELHERR . Doch blindlings nicht?
    PATRIARCH .                       Wer sagt denn das? – Ei freilich
    Muss niemand die Vernunft, die Gott ihm gab,
    Zu brauchen unterlassen, – wo sie hin–
    Gehört. – Gehört sie aber überall
    Denn hin? – O nein! – Zum Beispiel: wenn uns Gott
    2481
    Durch einen seiner Engel, – ist zu sagen,
    Durch einen Diener seines Worts, – ein Mittel
    Bekannt zu machen würdiget, das Wohl
    Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche,
    Auf irgendeine ganz besondre Weise
    Zu fördern, zu befestigen: wer darf
    Sich da noch unterstehn, die Willkür des,
    Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft
    Zu untersuchen? und das ewige
    2490
    Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach
    Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre
    Zu prüfen? – Doch hiervon genug. – Was ist
    Es denn, worüber unsern Rat für itzt
    Der Herr verlangt?
    TEMPELHERR .               Gesetzt, ehrwürd’ger Vater,
    Ein Jude hätt ein einzig Kind, – es sei
    Ein Mädchen, – das er mit der größten Sorgfalt
    Zu allem Guten auferzogen, das
    Er liebe mehr als seine Seele, das
    Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe.
    2500
    Und nun würd unsereinem hinterbracht,
    Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht;
    Er hab’ es in der Kindheit aufgelesen,
    Gekauft, gestohlen, – was Ihr wollt; man wisse,
    Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei
    Getauft; der Jude hab’ es nur als Jüdin
    Erzogen; lass es nur als Jüdin und
    Als seine Tochter so verharren: – sagt,
    Ehrwürd’ger Vater, was wär hierbei wohl
    Zu tun?
    PATRIARCH .    Mich schaudert! – Doch zuallererst
    2510
    Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall
    Ein Faktum oder eine Hypothes’ .
    Das ist zu sagen: ob der Herr sich das
    Nur bloß so dichtet, oder ob’s geschehn,
    Und fortfährt zu geschehn.
    TEMPELHERR .                              Ich glaubte, das
    Sei eins, um Euer Hochehrwürden Meinung
    Bloß zu vernehmen.
    PATRIARCH .                    Eins? – Da seh’ der Herr
    Wie sich die stolze menschliche Vernunft
    Im Geistlichen doch irren kann. – Mitnichten!
    Denn ist der vorgetragne Fall nur so
    2520
    Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich
    Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken.
    Ich will den Herrn damit auf das Theater
    Verwiesen haben, wo dergleichen pro
    Et contra sich mit vielem Beifall könnte
    Behandeln lassen. – Hat der Herr mich aber
    Nicht bloß mit einer theatral’schen Schnurre
    Zum Besten; ist der Fall ein Faktum; hätt
    Er sich wohl gar in unsrer Diözes’ ,
    In unsrer lieben Stadt Jerusalem,
    Eräugnet: – ja alsdann –
    2530
    TEMPELHERR .                         Und was alsdann?
    PATRIARCH . Dann wäre mit dem Juden fördersamst
    Die Strafe zu vollziehn, die päpstliches
    Und kaiserliches Recht so einem Frevel,
    So einer Lastertat bestimmen.
    TEMPELHERR .                                    So?
    PATRIARCH . Und zwar bestimmen obbesagte Rechte
    Dem Juden, welcher einen

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