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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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Grabe,
    Wenn die nur fortgehn! Wenn die Christenpilger
    Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen!
    Wenn nur –
    SITTAH .         Was soll nun das? Was soll das Geld
    Bei mir?
    SALADIN .    Mach dich davon bezahlt; und leg
    Auf Vorrat, wenn was übrig bleibt.
    SITTAH .                                               Ist Nathan
    Noch mit dem Tempelherrn nicht da?
    SALADIN .                                                  Er sucht
    Ihn allerorten.
    SITTAH .            Sieh doch, was ich hier,
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    Indem mir so mein alt Geschmeide durch
    Die Hände geht, gefunden.
    (Ihm ein klein Gemälde zeigend.)
    SALADIN .                                          Ha! mein Bruder!
    Das ist er, ist er! – War er! war er! ah! –
    Ah wackrer lieber Junge, dass ich dich
    So früh verlor! Was hätt ich erst mit dir,
    An deiner Seit’ erst unternommen! – Sittah,
    Lass mir das Bild. Auch kenn ich’s schon: er gab
    Es deiner altern Schwester, seiner Lilla,
    Die eines Morgens ihn so ganz und gar
    Nicht aus den Armen lassen wollt. Es war
    2630
    Der letzte, den er ausritt. – Ah, ich ließ
    Ihn reiten, und allein! – Ah, Lilla starb
    Vor Gram, und hat mir’s nie vergeben, dass
    Ich so allein ihn reiten lassen. – Er
    Blieb weg!
    SITTAH .             Der arme Bruder!
    SALADIN .                                     Lass nur gut
    Sein! – Einmal bleiben wir doch alle weg! –
    Zudem, – wer weiß? Der Tod ist’s nicht allein,
    Der einem Jüngling seiner Art das Ziel
    Verrückt. Er hat der Feinde mehr; und oft
    Erliegt der Stärkste gleich dem Schwächsten. – Nun,
    2640
    Sei wie ihm sei! – Ich muss das Bild doch mit
    Dem jungen Tempelherrn vergleichen; muss
    Doch sehn, wie viel mich meine Phantasie
    Getäuscht.
    SITTAH .       Nur darum bring ich’s. Aber gib
    Doch, gib! Ich will dir das wohl sagen; das
    Versteht ein weiblich Aug’ am besten.
    SALADIN
(zu einem Türsteher, der hereintritt)
.    Wer
    Ist da? – der Tempelherr? – Er komm’!
    SITTAH .                                                   Euch nicht
    Zu stören: ihn mit meiner Neugier nicht
    Zu irren –
    (Sie setzt sich seitwärts auf einen Sofa und lässt den Schleier fallen.)
    SALADIN .     Gut so! gut! – (Und nun sein Ton!
    Wie der wohl sein wird! – Assads Ton
    2650
    Schläft auch wohl wo in meiner Seele noch!)
Vierter Auftritt
    Der
TEMPELHERR
und
SALADIN .
    TEMPELHERR . Ich, dein Gefangner, Sultan …
    SALADIN .                                                     Mein Gefangner?
    Wenn ich das Leben schenke, werd ich dem
    Nicht auch die Freiheit schenken?
    TEMPELHERR .                                          Was dir ziemt
    Zu tun, ziemt mir, erst zu vernehmen, nicht
    Vorauszusetzen. Aber, Sultan, – Dank,
    Besondern Dank dir für mein Leben zu
    Beteuern, stimmt mit meinem Stand und meinem
    Charakter nicht. – Es steht in allen Fällen
    Zu deinen Diensten wieder.
    SALADIN .                                   Brauch es nur
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    Nicht wider mich! – Zwar ein paar Hände mehr,
    Die gönnt ich meinem Feinde gern. Allein
    Ihm so ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt
    Mir schwer. – Ich habe mich mit dir in nichts
    Betrogen, braver junger Mann! Du bist
    Mit Seel und Leib mein Assad. Sieh! ich könnte
    Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit
    Gesteckt? in welcher Höhle du geschlafen?
    In welchem Ginnistan , von welcher guten
    Div diese Blume fort und fort so frisch
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    Erhalten worden? Sieh! ich könnte dich
    Erinnern wollen, was wir dort und dort
    Zusammen ausgeführt. Ich könnte mit
    Dir zanken, dass du Ein Geheimnis doch
    Vor mir gehabt! Ein Abenteuer mir
    Doch unterschlagen: – Ja, das könnt ich; wenn
    Ich dich nur säh’, und nicht auch mich. – Nun, mag’s!
    Von dieser süßen Träumerei ist immer
    Doch so viel wahr, dass mir in meinem Herbst
    Ein Assad wieder blühen soll. – Du bist
    Es doch zufrieden, Ritter?
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    TEMPELHERR .                             Alles, was
    Von dir mir kömmt, – sei was es will – das lag
    Als Wunsch in meiner Seele.
    SALADIN .                                 Lass uns

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