Nathan der Weise
Ich habe mich
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Bei ihm vorbeigeschlichen. Aber noch
Könnt er uns sehn, wo Ihr da steht. – Drum kommt
Doch näher zu mir, hinter diesen Baum.
TEMPELHERR .
Was gibt’s denn? – So geheimnisvoll? – Was ist’s?
DAJA . Ja wohl betrifft es ein Geheimnis, was
Mich zu Euch bringt; und zwar ein doppeltes.
Das eine weiß nur ich; das andre wisst
Nur Ihr. – Wie wär es, wenn wir tauschten?
Vertraut mir Euers: so vertrau ich Euch
Das Meine.
TEMPELHERR . Mit Vergnügen. – Wenn ich nur
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Erst weiß, was Ihr für Meines achtet. Doch
Das wird aus Euerm wohl erhellen. – Fangt
Nur immer an.
DAJA . Ei denkt doch! – Nein, Herr Ritter:
Erst Ihr; ich folge. – Denn versichert, mein
Geheimnis kann Euch gar nichts nutzen, wenn
Ich nicht zuvor das Eure habe. – Nur
Geschwind! – Denn frag ich’s Euch erst ab: so habt
Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimnis dann
Bleibt mein Geheimnis; und das Eure seid
Ihr los. – Doch armer Ritter! – Dass ihr Männer
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Ein solch Geheimnis vor uns Weibern haben
Zu können, auch nur glaubt!
TEMPELHERR . Das wir zu haben
Oft selbst nicht wissen.
DAJA . Kann wohl sein. Drum muss
Ich freilich erst, Euch selbst damit bekannt
Zu machen, schon die Freundschaft haben. – Sagt:
Was hieß denn das, dass Ihr so Knall und Fall
Euch aus dem Staube machtet? dass Ihr uns
So sitzen ließet? – dass Ihr nun mit Nathan
Nicht wiederkommt? – Hat Recha denn so wenig
Auf Euch gewirkt? wie? oder auch, so viel? –
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So viel! so viel! – Lehrt Ihr des armen Vogels,
Der an der Rute klebt, Geflattre mich
Doch kennen! – Kurz: gesteht es mir nur gleich,
Dass Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn; und
Ich sag Euch was …
TEMPELHERR . Zum Unsinn? Wahrlich; Ihr
Versteht Euch trefflich drauf.
DAJA . Nun gebt mir nur
Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch
Erlassen.
TEMPELHERR . Weil er sich von selbst versteht? –
Ein Tempelherr ein Judenmädchen lieben! …
DAJA . Scheint freilich wenig Sinn zu haben. – Doch
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Zuweilen ist des Sinns in einer Sache
Auch mehr, als wir vermuten; und es wäre
So unerhört doch nicht, dass uns der Heiland
Auf Wegen zu sich zöge, die der Kluge
Von selbst nicht leicht betreten würde.
TEMPELHERR . Das
So feierlich? – (Und setz ich statt des Heilands
Die Vorsicht: hat sie denn nicht Recht? –) Ihr macht
Mich neubegieriger, als ich wohl sonst
Zu sein gewohnt bin.
DAJA . O! das ist das Land
Der Wunder!
TEMPELHERR . (Nun! – des Wunderbaren. Kann
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Es auch wohl anders sein? Die ganze Welt
Drängt sich ja hier zusammen.) – Liebe Daja,
Nehmt für gestanden an, was Ihr verlangt:
Dass ich sie liebe; dass ich nicht begreife,
Wie ohne sie ich leben werde; dass …
DAJA . Gewiss? gewiss? – So schwört mir, Ritter, sie
Zur Eurigen zu machen; sie zu retten;
Sie zeitlich hier, sie ewig dort zu retten.
TEMPELHERR .
Und wie? – Wie kann ich? – Kann ich schwören, was
In meiner Macht nicht steht?
DAJA . In Eurer Macht
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Steht es. Ich bring es durch ein einzig Wort
In Eure Macht.
TEMPELHERR . Dass selbst der Vater nichts
Dawider hätte?
DAJA . Ei, was Vater! Vater!
Der Vater soll schon müssen.
TEMPELHERR . Müssen, Daja? –
Noch ist er unter Räuber nicht gefallen. –
Er muss nicht müssen.
DAJA . Nun, so muss er wollen;
Muss gern am Ende wollen.
TEMPELHERR . Muss und gern! –
Doch, Daja, wenn ich Euch nun sage, dass
Ich selber diese Sait’ ihm anzuschlagen
Bereits versucht?
DAJA . Was? und er fiel nicht ein?
TEMPELHERR .
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Er fiel mit einem Misslaut ein, der mich –
Beleidigte.
DAJA . Was sagt
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