Nathan King - der Rinderbaron
von sich, hob ihren Hut auf und reichte ihn ihr. “Pass das nächste Mal besser auf, Miranda”, riet er ihr kühl. “Noch so ein Ausrutscher … und wer weiß, was dabei alles in die Brüche gehen kann?”
Zum Beispiel ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie weiterhin behauptete, ihn nicht zu begehren! “Danke”, sagte sie heiser und zog sich die Krempe des Hutes tief in die Stirn, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
“Tommy braucht dich topfit”, setzte Nathan noch hinzu, bevor er ihr den Rücken zukehrte und weiterging.
Miranda zitterten die Knie, als sie ihm folgte. Das ist nicht fair!, dachte sie wütend, während sie Nathan beobachtete, der mit kraftvollen Schritten vor ihr herging. Ihr schien diese fatale Umarmung jegliche Kraft geraubt zu haben, wohingegen er stärker denn je wirkte. Aber was war schon fair, wenn es um Sex ging?
Schon zweimal war sie Nathans magischer Anziehungskraft erlegen. Und schon wieder ertappte sie sich dabei, wie sie bewundernd den Blick über seinen muskulösen Rücken schweifen ließ. Irgendwie musste es ihr gelingen, diesen unseligen Bann zu durchbrechen und sich wieder auf ihren Job zu konzentrieren. Schließlich war nicht Nathan King die Sehenswürdigkeit, derentwegen sie diesen Ausflug unternommen hatte!
Die Felswände zu beiden Seiten waren nicht so auffällig geschichtet wie die Gewölbe, aber ihre Farbe war eine nicht minder eindrucksvolle Mischung aus Rot und Orange, Ocker, Beige und Schwarz. Miranda fragte sich gerade, woher wohl der Name Cathedral-Schlucht stamme, als sie den tiefen, vibrierenden Ton hörte, der von den Felsen in einem seltsamen, unirdischen Rhythmus zurückgeworfen wurde. Sie blieb wie angewurzelt stehen und lauschte.
Nathan drehte sich ungeduldig zu ihr um. Doch bevor er etwas sagen konnte, hob Miranda die Hand. “Hörst du das nicht?”, flüsterte sie aufgeregt. “Was ist das?”
Er nickte, sichtlich belustigt. “Ein Didgeridoo. Komm, hinter der nächsten Biegung wirst du es selber sehen. Albert scheint den Touristen eine Kostprobe zu geben.”
Albert? Ein Didgeridoo war ein Musikinstrument der Aborigines. Lebte einer ihrer Stämme vielleicht immer noch hier? Miranda eilte hinter Nathan her. Da plötzlich tat sich das Ende der Schlucht vor ihr auf, eine fantastische, nach oben offene Felsenhöhle, deren nach innen gebogene Rückwand schützend einen Teich umgab, dessen Wasser geheimnisvoll dunkel schimmerte.
Am sandigen Ufer des Teiches saß eine Gruppe von sechs Leuten auf flachen Felsbrocken und lauschte einem Aborigine, der in ein langes, hohles Rohr blies. Das Ende des Rohrs ruhte vor ihm auf dem Boden, während die Hände des Mannes abwechselnd die verschiedenen Löcher des Instruments bedeckten, um die Töne zu variieren.
Wie der mächtige Klang einer Orgel in einer Kathedrale, so hallten die Töne des Didgeridoos von den Felswänden der Höhle wider – ein Echo längst vergangener Zeiten. Wer diesen Klängen lauschte, glaubte sich eins mit dem Herzschlag der Erde selbst.
Es war kein Lied im eigentlichen Sinn, keine wirkliche Melodie. Dennoch berührte diese besondere Tonfolge etwas tief in der Seele, und Miranda dachte plötzlich an Nathans Worte, dass sein Leben mit dem Land und seiner Schönheit unauflösbar verknüpft sei – mit diesem uralten Land, wo Überleben sich häufig auf die Erfüllung der elementarsten Bedürfnisse reduzierte.
Erst jetzt glaubte sie die volle Bedeutung seiner Worte zu erahnen: Entscheidungen, die in ihrer Einfachheit von der Natur vorgegeben wurden, ein Zyklus aus Geburt, Heranwachsen, Paarung, Fortpflanzung und Tod, dem alles Leben folgte – ein ewig währender Prozess, solange die Erde ihn nährte. Kein Platz für romantische Schönfärberei. Nur das blanke Leben, wie es wirklich war, ohne all den Schnickschnack, den die Zivilisation hervorgebracht hatte, um es zu erleichtern.
Noch ein langer, tiefer, melancholischer Ton, dessen Schwingungen Miranda bis in die Tiefen ihrer Seele erzittern ließen. Dann schulterte der Aborigine sein Didgeridoo. Die Touristengruppe applaudierte, doch ihr begeistertes Klatschen klang in Mirandas Ohren völlig fehl am Platz, trivialisierte dieses eindrucksvolle Erlebnis, das sie lieber in ehrfürchtiger Stille ausgekostet hätte.
Nathan betrachtete sie spöttisch. “Nun? War die Darbietung deinen Applaus nicht wert?”
Sie sah ihn an, spürte seine tiefe Verachtung für das mangelnde Verständnis dieser Leute und versuchte zu vermitteln: “Nicht jeder besitzt dein
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