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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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weißt, was ich meine.‘ Sheridans Körper zitterte, doch noch immer entströmte ihm kein Geruch nach Angst. ‚Du weißt es sehr gut. Wir sind engste Vertraute, mein Freund, ob es uns gefällt oder nicht. So lange Zeit habe ich deinen Stamm gejagt, so lange saß ich ihm im Nacken, und immer warst du mir einen Schritt voraus. Du warst die Herausforderung meines Lebens. Meine gesamte Existenz war darauf ausgerichtet, irgendwann besser zu sein als du und zu triumphieren. Auf der Jagd fühlte ich mich lebendig. Ich schlief nächtelang nicht, weil ich im Dunkeln lag und versuchte, deine Taktik zu durchschauen. Das Fieber der Besessenheit befiel mich, wenn ein weiterer Schlag gegen euch bevorstand und ich glaubte, diesmal überlegen zu sein. Dennoch empfand ich bei jedem Scheitern meiner Angriffe eine gewisse Genugtuung, denn ein Teil von mir wusste, dass es genau das war, was mich am Leben hielt.
    Und jetzt? Jetzt, da ihr meine Gefangenen seid, spüre ich keine Leidenschaft mehr. Alles ist banal. Alles ist gleichgültig geworden. Sag mir, was gibt es Ehrenvolleres, als durch die Hand seines einzig wahren Feindes zu sterben? Durch das Messer jenes Mannes, der Hunderte Male bewiesen hat, dass er meiner würdig ist?‘
    Sheridan beugte sich vor, drückte seine Kehle sehnsüchtig gegen meine Klinge und schloss die Augen. Dann, in einer schier unmenschlich schnellen Bewegung, packte er das Messer und drehte es so abrupt herum, dass ich kaum wusste, wie mir geschah. Ehe ich reagieren konnte, entriss der General mir die Waffe, stieß mich gegen die Wand und setzte seinerseits zum Kehlschnitt an.
    ‚Oder verschafft es mehr Befriedigung, genau diesen Mann zu töten, bevor man selbst geht?‘ Er lachte. Sein Atem roch nach zu viel Alkohol. ‚Als letzten Triumph? Wäre ich der Sieger gewesen, wenn du nicht aufgegeben hättest? Hätte ich triumphiert, wenn der Verlust dir nicht die Kraft genommen hätte? Ich werde es nie erfahren. Das hinterlässt eine große Bitterkeit nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden haben. Es war kein fairer Kampf. Es war niemals fair. Und das vergällt mir den Triumph. Haben wir wirklich gesiegt? Oder besiegten euch der Hunger und die Krankheiten?‘
    Ich antwortete nicht. Vollkommene Ruhe senkte sich über mich. Selbst das Rauschen des Blutes in meinen Ohren verstummte, genauso wie mein Herzschlag, wie das Ticken der Uhr und die Atemstöße des Generals. Sein Körper erschlaffte und sank gegen mich. Nur Sheridans Hand, die das Messer umklammert hielt, blieb unnachgiebig. Ich spürte seine heiße Stirn, die sich gegen meinen Hals drückte. Und die Silberknöpfe seines Jacketts, die sich in meinen Brustkorb bohrten. Und dann hörte ich ihn weinen. Trotz allem, was er uns angetan hatte, trotz all dem Schmerz, den er meinem Volk bereitet hatte, empfand ich Mitleid. Ich wollte die Klinge von meinem Hals fortdrücken, aber das war nicht mehr nötig, denn im gleichen Augenblick ließ der General die Waffe fallen.
    ‚Es ist egal‘, flüsterte er, während er an mir hing wie eine Frau an ihrem Geliebten. ‚Alles ist vollkommen egal. Beende es. Ich bitte dich, beende es.‘
    Ich zögerte. War es der Alkohol, der ihm diese Worte in den Mund legte? Oder war es etwas Tieferes? Etwas, das den Rausch lange überdauern würde und durch nichts gemildert werden konnte? Vielleicht war es genau die Leere, die ich selbst nur zu gut kannte.
    Wie von einer fremden Macht gesteuert, legte ich meine Finger um Sheridans Hals. Der General sog den Atem ein undschwankte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, geschwängert von Alkohol und Verzweiflung. Ich wusste nicht, was ich tat. Eine mörderische Hitze brach in meinem Innersten auf, wuchs heran und flutete meinen Körper mit einer Wucht, die ich kaum beschreiben kann. Ich schloss den General in meine Arme, ließ zu, dass er schwer gegen mich sank und mich mit seinem Gewicht an die Wand drückte. Die Hitze wurde noch brennender, bis sie mit unerträglicher Intensität durch meine Adern kroch. Sie floss durch meinen Arm hinunter zur Hand, sie glitt durch Muskeln und Sehnen und trat schließlich an meinen Fingern aus. Sheridan wollte schreien, aber aus seinem aufgerissenen Mund kam kein Ton. Er verkrampfte sich und zuckte, und als ich ihn zu Boden sinken ließ, warf seine Haut bereits Blasen. Rohes, verbranntes Fleisch kam zum Vorschein, als ich meine Finger von seinem Hals löste. Da waren Fassungslosigkeit und Sehnsucht in Sheridans Augen. Schmerz und Erlösung. Der

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