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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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entstellte Körper erschlaffte, ich hörte einen letzten Atemzug. Dann lag er still. Mein erbitterter Feind. Der Mann, der über viele Jahre hinweg mein Leben ausgefüllt hatte, Tag und Nacht, egal, wo ich war, was ich tat, ob ich schlief oder wachte.
    Ich war so müde und erschöpft, dass ich kaum klar denken konnte. Das Feuer in meinem Körper verebbte, bis es nur ein schwaches Glimmen war. Ich fiel neben dem General zu Boden, und als Augenblicke später die Tür aufflog, tat ich nichts. Ich ließ mich festnehmen, ließ mich aufhängen und floh am nächsten Morgen aus meinem Grab. Ich führte mein Volk in einer Nacht- und Nebelaktion zurück in die Freiheit, begann den Kampf erneut und lernte, mit meinen Kräften umzugehen.“
    Als Nathaniel schwieg, summte die Stille in Josephines Ohren. Sie fühlte sich ruhig, vollkommen gefasst. Kein Zweifel keimte in ihr auf, obwohl es vielleicht so hätte sein müssen.
    Als er sie mit leiser Stimme fragte, ob sie ihm glaubte, antwortete sie mit einem Nicken.
    Nathaniel nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. Seine Erleichterung erfreute sie, machte sie traurig und glücklich zugleich.
    „Eines verstehe ich nicht“, fragte sie nach einer Weile, in der sie sich schweigend im Arm gehalten hatten. „Warum hast du den Mann im Zelt nicht erkannt? Der, der zuvor der Bewahrer des Totems war?“
    „Weil er sich seit Jahren in die Berge zurückgezogen hatte. Die Jahrhunderte hatten ihm alle Kraft geraubt, sodass er nichts mehr außer der Einsamkeit ertragen konnte. Erst, als Absá mich aufgespürt hatte, brachte man ihn heimlich in das Reservat. Zu diesem Zeitpunkt waren die Geschichten über Woksapas Geist nur noch Legenden, die man sich am Feuer erzählte. Man sagte, er sei eines jener göttlichen Wesen gewesen, die vor Tausenden von Jahren vom Himmel herabgestiegen waren, um den Menschen Lehrer zu sein.“
    Josephine schüttelte den Kopf. Sie fühlte Entzückung, aber auch Angst. „Warum erlaubt sie dir meine Nähe? Was für einen Plan verfolgt sie?“
    „Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass sie unser Zusammensein gutheißt. Aber diese Tatsache beruhigt mich nicht, denn das bedeutet, dass du in irgendeinen ihrer Pläne passt. Was ist, wenn sie ihr Ziel erreicht hat? Was ist, wenn sie entscheidet, ihr Spiel zu beenden?“
    „Sie hat deine Frau und deinen Sohn getötet“, murmelte Josephine.
    „Ja.“ Nathaniels Lippen pressten sich zusammen und bebten. „Aber ich lasse nicht zu, dass sie dir wehtut. Niemals.“
    „War sie bei der Feier dabei?“
    „Nein. Seit Langem nimmt sie nicht mehr an unseren Festen teil. Sie lebt allein im Wald. In ihrem alten, halb verfaulten Tipi.“
    „Ich habe keine Angst“, flüsterte Josephine. Ihre Finger strichen behutsam über sein Gesicht. Liebkosten Stirn, Wangen und Lippen. „Alles ist gut so, wie es ist. Ich will bei dir sein. Egal, was kommen mag. Ich will einfach nur bei dir sein.“

     
    Campbell-Farm
    Seit er denken konnte, war es seine Aufgabe, zu trösten. Immer war er für andere stark, schenkte ihnen seine Kraft und war für sie das Licht in der Dunkelheit. Diesmal aber spendete man ihm Trost. Man milderte seine Angst. Hörte ihm zu, wenn er reden wollte, und schloss ihn in die Arme, wenn es ihm nach Nähe verlangte. Diese kleine, zierliche Frau, die er für so verletzlich gehalten hatte, war stark für ihn. Sie wurde zu jener Stütze, nach der er sich Ewigkeiten gesehnt hatte.
    In ihrer Gesellschaft fühlte er sich jung und frei. Der Schalk saß ihm im Nacken, die Zeit verflog wie im Traum, einen bittersüßen Geschmack hinterlassend. Süß, weil sein Glück ihm Flügel verlieh und Absá nichts tat, um es ihm zu vergällen. Bitter, weil er schon vor langer Zeit begriffen hatte, dass alles irgendwann sein Ende fand. Geschichten erzählten, dass es für alle Liebenden ein Wiedersehen gab, und an diese Geschichten dachte er jeden Tag. Sie boten Hoffnung, Kraft und Zuversicht.
    „Leg dich wieder hin“, sagte Josephine zu Jacob, als sie an dem Morgen nach ihrer Rückkehr zur Farm gemeinsam am Frühstückstisch saßen. „Nat und ich schaffen das schon. Glaube mir. Jetzt geh und kuriere dich aus.“
    „Seid ihr sicher?“ Jacob prustete in sein Taschentuch, stopfte es zurück in die Hosentasche und blinzelte mit glasigen Augen in das Sonnenlicht. „Ich werde keine Ruhe finden, wenn ich weiß, dass ihr die ganze Arbeit allein machen müsst.“
    „Im Moment ist nichts Arbeit für uns.“ Nathaniel setzte ein

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