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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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also nahm ich diePfeife und sog den Rauch in mich hinein. Wieder und wieder, bis ich spürte, wie ich zur Seite kippte. Jemand fing mich auf und umklammerte meine Arme. Ich erkannte das Gesicht der Schamanin. Etwas funkelte hell in der Dunkelheit. Es war die Klinge eines Messers, das sie in der Hand hielt. Ich versuchte, mich zu wehren, aber plötzlich waren es drei Männer, die mich festhielten und zu Boden drückten. Jemand zog meinen Kopf zurück. Kaltes Metall legte sich an meine Kehle. Ich wusste, dass die Schamanin mich töten wollte, und deshalb kämpfte ich mit aller Kraft gegen die Betäubung des Rauches an. Vergeblich. Mir wurde klar, dass ich sterben würde, und ich fand mich damit ab. Es war nicht der Tod, den ich mir ausgesucht hatte, aber ich würde meine Frau und meinen Sohn wiedersehen. Nur das zählte.
    ‚Nimm es an‘, sagte Absá, als ich meine Gegenwehr aufgab. ‚Nimm dein Schicksal an. Du wirst sie beschützen. Deine Macht wird sie in die neue Welt führen und Licht in die Finsternis bringen.‘
    Ich hörte, wie sie keuchend Luft holte und irgendjemand im Hintergrund hustete, dann löste sich alles in glühendem Schmerz auf. Die Klinge durchtrennte meine Kehle mit einem einzigen Schnitt. Ich spürte, wie sie durch Hautschichten, Sehnen und Kehlkopf säbelte. Ströme von Blut schossen hervor, durchnässten meine Kleidung, flossen in meine Luftröhre und ließen mich würgen. Der Griff um meine Arme löste sich, und ich fiel hustend zur Seite und versuchte, das offene Fleisch meines Halses zusammenzuhalten. Panik überfiel mich, nur um sich so schnell aufzulösen, wie sie gekommen war. Als wäre es nicht ich selbst, der gerade starb, hörte ich mein Husten und Röcheln. Ich spürte das nasse, heiße Fleisch unter meinen Fingern, als gehörte es nicht zu mir, und erstickte an meinem eigenen Blut. Alles wurde schwarz. Schmerz und Angst verschwanden, ausgelöscht von einem Gefühl der Erlösung.
    Es wurde dunkel.
    Es wurde still.
    Mein Körper schwebte im warmen Nichts, beschützt von der Anwesenheit eines Geistwesens, dessen Größe und Güte allmächtig war.
    Ich reiste weiter durch das stille Dunkel, bis ein Licht von alles versengender Helligkeit mich packte. Es riss mich hoch, zog an mir und schleuderte mich zurück.
    Zurück ins Leben.
    Plötzlich war ich der Gefangene meines eigenen Körpers, angewidert vom Zustand der Fleischlichkeit. Mein Herz schlug, zuerst langsam, dann immer kräftiger. Irgendwann öffnete ich die Augen. Spürte Fell an meiner Wange. Schmerzen und Atemnot. Die Wunde an meinem Hals prickelte. Etwas zog und zerrte daran, und als ich danach griff, spürte ich unter meinen Fingerspitzen, wie das Fleisch zusammenwuchs. Vor mir lag der junge, alte Mann, gehalten von den Armen der Schamanin. Sein Körper welkte dahin. Als wollten Jahrhunderte in wenigen Momenten verstreichen, vertrocknete seine schöne, makellose Haut, verdorrte und platzte auf. Er starb, und ehe ich zweimal nach Atem ringen konnte, hielt Absá eine uralte Mumie in ihren Armen.
    ‚Leb wohl‘, flüsterte sie. ‚Finde den Frieden, nach dem du so lange gesucht hast. Ein anderer trägt nun deine Last.‘“
    Nathaniel verfiel in Schweigen. Er drehte eine Strähne ihres Haares zwischen den Fingern, langsam und versunken. Alles in Josephine schrie danach, mehr zu erfahren, doch sie zwang sich, still zu bleiben. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fuhr Nathaniel fort:
    „Meine Sinne schwanden erneut, und als ich irgendwann zu mir kam, hielt ich ein Messer in der Hand und ging auf das Haus des Generals zu. Eine seltsame Kraft trieb mich vorwärts. Mühelos durchdrangen meine Augen die Dunkelheit jenseits der im Wind schaukelnden Petroleumlampen. Ich musste nicht sehen, wann die Soldaten beiseite blickten und wann ihre Aufmerksamkeit nachließ. Ich musste nicht darauf achten, wohin ich meine Füße setzte, um keinen Laut zu verursachen. All das spürte ich, so als wäre die Art, sich wie ein Geist zu bewegen, seit Ewigkeiten meine natürlichste Fähigkeit. Etwas übernahm die Kontrolle über meinen Körper, aber es tat das so schleichend, dass ich nicht mehr wusste, wo mein eigenes Wesen aufhörte und das Unbekannte begann.
    Immer wieder durchzuckten Gefühle meine Wahrnehmung, die nicht meine eigenen waren. Wie Eindringlinge huschten sie durch meinen Geist, tauchten auf, verschwanden, und hinterließen ein Gefühl, als befände ich mich in einem Traum, der nicht enden wollte. Es war wie damals, als ich

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