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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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wenn ihre Blicke inauffälliger Regelmäßigkeit zu Nathaniel herüberglitten. Pikiertheit, Neugier, Überraschung, Verwunderung. Die Tatsache, dass er silberne Creolen und langes Haar trug, schien sie tief zu bestürzen. Er ignorierte es. Mit einer Gelassenheit, die vorzuspielen ihm seltsamerweise leicht fiel, trank er seinen Kaffee, probierte das Gebäck und rief sich in Erinnerung, dass er jeden Einzelnen mühelos töten könnte, wenn es nicht die Kamera in der Ecke gegeben und Josephine nicht an einem Ort, den er nicht kannte, auf ihr Schicksal gewartet hätte. Mit der Geduldigkeit eines Kriegers des alten Schlages wartete Nathaniel auf eine Erkenntnis. Auf die sich ihm zeigende Lücke im scheinbar perfekten Gefüge. Christian, der ihm gegenübersaß, konnte der Verlockung eines näheren Blicks nicht lange widerstehen, sodass Nathaniel bereits zwei Minuten nach Beginn der Sitzung in Erfahrung gebracht hatte, dass der Mann tatsächlich nicht wusste, wo Josephine sich befand.
    Resigniert widmete er sich dem Kaffee. Die Sitzung zog sich dahin, denn der Anwalt am Kopfende des Tisches brütete mit stoischer Ruhe über dem Vertrag. Irgendwann, als der Anzugträger endlich aufblickte und mit einem Räuspern kundtat, dass seine Studien beendet waren, wurde es Zeit für Nathaniels Eingriff.
    „Wie stellen Sie sich das hier vor?“ Der Mann tippte auf den vor ihm liegenden Papierstapel. „Eine einundfünzigprozentige Stimmenmehrheit? Das soll wohl ein …“
    Nathaniel stieß scheinbar zufällig sein halb volles Wasserglas um. Sechs Augenpaare hefteten sich voller Empörung auf ihn. Eine Frau erschien, leise wie ein Geist, räumte das Glas auf ein Tablett und wischte die Pfütze auf.
    Sobald das Objekt seiner Manipulation den Blick zu ihm wandte, drang Nathaniel in den Geist des Mannes ein und räumte seine Bedenken beiseite.
    Alles hat seine Richtigkeit
, flüsterte er ihm ein.
Nichts wird entschieden ohne vorherige Abstimmung
.
Alles ist in Ordnung
.
Sie können uns vertrauen
.
    Als der Anwalt die Lider senkte und in seine Kaffeetasse blickte, wurde sein Blick glasig. Ein träumerisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    „Gut.“ sagte er schließlich, nahm einen Stift, versah das letzte Blatt mit einer schwungvollen Unterschrift und schloss das Geschäft mit einem seligen Nicken. Ein halbes Dutzend Gesichter erbleichten um mehrere Facetten. „Ich habe mich getäuscht“, setzte der Anwalt angesichts dieser Reaktion hinzu. „Alles hat seine Richtigkeit. Es war mir eine Ehre, mit Ihnen ins Geschäft zu treten.“
    Er erhob sich, schüttelte Christian die Hand und ergriff seinen Aktenkoffer. Den Blick ins Leere gerichtet, verließ er steifbeinig das Zimmer. Dicht gefolgt von seinen sechs Begleitern, deren Tuscheln sich bald zu einem handfesten Streit hochschaukeln würde.
    Als die Tür hinter den Männern zuglitt und Nathaniel mit Christian allein war, schloss sich eine Membran aus Stille um den Raum. Draußen im Sonnenschein rauschten die Kaskaden des Flusses dahin, durch das Glas so gedämpft, dass sie nur dann zu hören waren, wenn er seine Sinne über das gewöhnliche Maß hinaus schärfte. Ausgesperrte Natur. Die Freiheit nur noch eine Ahnung hinter makellosem Glas. Nathaniel dachte an den Wald, an die Kühle des Mooses und den See im Schatten der Bäume. Würde er jemals wieder dort sein, gemeinsam mit ihr? Die Maske äußerlicher Fassung wahrend, trank er den Rest seines Kaffees aus.
    „Ich bin stolz auf dich“, sagte eine Stimme in die Stille hinein.
    Hazlewood betrat den Raum. Höchstpersönlich. Seine Aura aus Ungeduld und Euphorie durchdrang die hauchdünne Maske seiner zur Schau getragenen Ruhe. Offenbar hatte er inzwischen etwas herausgefunden, was ihn zuversichtlich stimmte. „Das lief reibungsloser als ich dachte. Christian, lassen Sie uns bitte allein. Aber bleiben Sie vor der Tür.“
    Der blonde Mann gehorchte. Hazlewood ließ sich in den Sessel am Kopfende des Tisches sinken und seufzte theatralisch, als wolle er mit einem Laut demonstrieren, dass allein er die Last der Welt zu tragen hatte. Seinen Blick währenddessen hielt er stur gesenkt.
    „Verrate mir eins“, sagte er schließlich, die Arme locker über die Lehnen seines Sessels hängen lassend. „Wer war Woksapa? War er ein Mensch?“
    „Nein“, erwiderte Nathaniel. Die Sonne wärmte sein Gesicht. Sanft. Sehnsuchtsvoll. Wie eine Berührung. Wie ihre Berührung.
    „Was war er dann?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Wirklich

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