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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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deine Kraft durch Woksapas Knochen schöpfst. Wir werden sie dir bringen.“
    „Dann halte Josephine und mich zusammen gefangen.“ Nathaniel beugte sich vor und sah Hazlewood tief in die Augen. Es war nutzlos, wenn dieser Mann nicht persönlich vor ihm stand, doch er kannte die Wirkung seines Blickes – auch vollkommen ohne Magie. „Lass uns zusammen sein, und ich tue, was du willst.“
    Solange ich keine andere Möglichkeit sehe
, fügte Nathaniel in Gedanken hinzu.
Aber mache einen Fehler
.
Einen winzigen Fehler, und du wirst für alles bezahlen
.
    „Mal sehen. Vielleicht bist du so umgänglich, dass ich dir eine Belohnung zukommen lasse.“ Hazlewood lehnte sich zurück und blickte nachdenklich ins Leere. „Hast du jemals einen Verlust erlitten, so tief greifend, dass dein Verstand sich weigert, sein Ausmaß zu ermessen?“
    Nathaniel antwortete mit Schweigen. Sein Blick glitt über die Artefakte, die in diesem Raum ebenso inhaftiert wirkten wie er selbst. „Musst du dich mit fremder Vergangenheit schmücken, weil du keine eigene hast?“ spottete er. „Bedienst du dich an unserer Seele, weil deine längst verloren ist?“
    „Ich bin alt“, erwiderte Hazlewood. „Ich habe viel gesehen in all den Jahrzehnten. Ich bin so reich, dass ich nicht weiß, wieich das Geld in einem Leben ausgeben soll. Ich habe unendlich viel erreicht. Ich habe mir zahllose Wünsche erfüllt, so viele, dass mir schlecht davon wurde. Aber ich weiß immer noch nicht, wer ich bin. Und ich will nicht sterben, ehe ich das nicht weiß.“ Der Anwalt beugte sich vor. Gier legte sich wie ein spiegelnder Schleier über seine Augen. „Was geschieht, wenn ich dich töte? Würde die Macht auf mich übergehen? Was wäre, wenn dein Blut sich langsam mit meinem vermischt? Würde ich so werden wie du? Sag es mir.“
    „Der Geist ist wählerisch“, erwiderte Nathaniel. „Zeig ihm tausend Menschen, die du für stark und würdig hältst, und er wendet sich ungerührt ab.“
    „Was müsste ich tun, dass er mich für würdig hält?“
    „Nichts.“ Nathaniel lächelte kalt. „In hundert Leben wird er dich nicht für würdig halten. Und was geschieht, wenn du mein Blut auf dich überträgst, weiß ich nicht. Versuch es. Ich habe selbst nach Wegen gesucht, den Geist loszuwerden. Ich sehnte mich nach Ruhe. Ich sehnte mich so sehr danach, dass ich sogar versuchte, mich zu töten, um den Geist loszuwerden und Frieden zu finden. Ich sagte dir schon – du brauchst Josephine nicht. Nimm dir meine Kraft, wenn du es schaffst. Ich gebe sie dir. Mein Leben war lang genug.“
    „Nun, wir werden es vorsichtig angehen lassen.“ Ein merkwürdiger Zug umspielte Hazlewoods Mund. „Zu schade, dass wir es nicht umgekehrt realisieren können. Mein Geist in deinem Körper, ausgestattet mit der Macht des Totems. Ich müsste Frauen endlich nicht mehr dafür bezahlen, mit mir ins Bett zu steigen.“
    Der Anwalt lachte und tätschelte seinen hervorquellenden Bauch. „Aber gut, solange ich nicht an die Macht des Gefäßes gelange, mache ich mir das Gefäß selbst zunutze. Woksapas Knochen sind bereits hierher unterwegs.“
    Nathaniel lächelte hasserfüllt. „Du kennst die Legende, aber kennst du sie gut genug? Die Anwesenheit des Totems bringt Menschen dazu, klarer zu sehen. Es gibt viele, für die die Erleuchtung einer Katastrophe gleichkommt. Bist du bereit, dich selbst zu sehen? Bist du wirklich bereit?“
    „Du bekommst, was du brauchst.“ Hazlewood vollführte eine Geste, woraufhin auf dem kleinen Bildschirm Josephine erschreckt auffuhr. „Aber zuerst will ich, dass du etwas für mich tust.“
    Zwei Männer stürzten sich auf sie, zerrten sie vom Bett und so vor die Kamera, dass Nathaniel ihr Gesicht erkannte. Einer der Männer hielt sie fest, der andere packte ihren Arm, spreizte einen Finger ab und setzte ein Messer an. Kein Ton war zu hören, doch er sah Josephines stummen, flehenden Schrei.
    „Tu, was ich dir sage, und sie wird ihre Gliedmaßen behalten.“ Hazlewood lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte wie jemand, der eine gute Show zu genießen gedachte. „Zwinge den Mann rechts von dir, aus dem Fenster zu springen.“
    Nathaniels Finger krallten sich so fest um die Lehne des Stuhls, dass das Holz knirschte. Er sah Josephine, ihre Angst und das Flehen in ihrem Blick. Er erinnerte sich an die wenigen, wunderbaren Momente, die sie geteilt hatten, und wusste, dass er alles tun würde, um sie zurückkehren zu

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