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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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sie die Situation zwischen ihr und dem Fremden neu beurteilt hatte. „Er hat mich nicht gewürgt. Eher subtil eingeschüchtert.“
    Jacob kratzte sich den Vollbart. „Was in aller Welt ist passiert?“
    „Er war wütend.“ Sie ließ den Kaffee auf dem Löffel in die Tasse plätschern. „Und gewissermaßen hatte der Kerl recht. Er hat mich gerettet, als ich im Dunkeln im Wald hockte und dachte, ich würde die Nacht nicht überleben. Er brachte mich nach Hause und versorgte Max. Als Dank beschimpfte ich ihn.“
    „Warum?“ Jacob schnalzte tadelnd mit der Zunge „Das musst du mir erklären.“
    „Ich wollte ihn verletzen. Er stauchte mich zusammen, weil er den Pferdestall zu dunkel und zu stickig fand. Und weil ich Max zu unsanft behandelt habe. Ich glaube, der Kerl ist ein Pferdeflüsterer. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der … ach verdammt. Weißt du, wie er mich nannte? Eine verwöhnte Wohlstandsschnepfe.“ Trotzig presste sie die Lippen zusammen, obwohl die Stimme ihres Verstandes verlauten ließ, dass diese Reaktion nichts weiter als kindisch war. „Er hat es verdient, beschimpft zu werden. Immerhin hat er angefangen.“
    „Hast du dich in irgendeiner Weise bei ihm bedankt?“ fragte Jacob.
    „Nein.“ Josephine ließ ihre Stirn mit der Tischplatte kollidieren. „Unser gegenseitiges Beleidigen kam zu schnell. Wir haben uns beide nichts genommen.“
    „Kennst du seinen Namen?“
    „Nein.“
    „Weißt du, woher er kam?“
    „Ich nehme an, aus der Crow-Siedlung. Kennst du den Jäger aus Ginger Snaps Teil 3? Seine Ausstrahlung war ein Witz gegen diesen Kerl.“
    „Wir haben uns den Film letztens zusammen angesehen.“ Jacobs Mundwinkel zuckten unter dem Wust aus krausen Barthaaren. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du den ganzen Abend geschmachtet.“
    „Oh nein.“
    „Oh doch. Hast du das Gefühl gehabt, dein mysteriöser Fremder sei gefährlich?“
    „Ich weiß es nicht“, log sie.
    „Du hast ihm also einen Hilfsjob angeboten,“ fasste Jacob ihre Erzählung zusammen. „Du hast ihn als arbeitsscheu bezeichnet und dich nicht für seine Hilfe bedankt. Damit muss er davon ausgegangen sein, dass du Indianer grundsätzlich für niedere Menschen hältst, die zu nichts taugen und zwingend arbeitslos sind. Nehmen wir mal an, er hätte studiert. Es könnte doch gut sein, dass es sich um einen hochintelligenten Mann gehandelt hat, der einen geliebten Ort seiner Kindheit aufgesucht hat. Immerhin gehört dieses Land hier zum Reservat. Er hat dir geholfen, als er über dich gestolpert ist, dich nach Hause begleitet, dein Pferd versorgt und war, wie du selbst gesagt hast, recht umgänglich.“
    „Mehr oder weniger“, brachte sie betreten hervor.
    „Sei es drum. Sag mir lieber, wie du dich fühlst.“
    „Mir geht es gut. Keine Sorge.“
    „Wirklich? Du hast dir nichts getan?“
    „Nein“, Josephine zuckte probeweise mit ihrem Fuß. Was hatte sie erwartet? Dass die Schmerzen zurückkehrten und ihr vermittelten, dass alles mit rechten Dingen zuging? Sie spürte nichts, gar nichts, und diese Tatsache stürzte sie erneut in Verwirrung.
    Uralte indianische Magie …
    Wenn dem so war, wurde jede moderne Heilungsmethode zu einem Witz degradiert.
    „Dieses Jahr sind es fünf Pferde, die eingeritten werden müssen.“ Jacob erhob sich, strich sich das grüne Karohemd glatt und wuschelte durch den Ring grauer Haare, der sich um seine Glatze legte wie eine pelzige Schlange. „Das sind zwei mehr als im letzten Jahr. Ich schaffe das Zureiten nicht mehr. Wir werden jemanden kommen lassen müssen. Für Vollberitt können wir pro Monat mindestens 300 Dollar einplanen. Vier Monate werden mit Sicherheit nötig sein, eher sogar fünf oder sechs. Hinzu kommen Kost und Unterkunft für die Bereiter.“
    „Ich kriege das schon hin.“
    „Wie?“ Jacobs Blick wurde resigniert. „Wir müssen demnächst auch den Hufschmied und den Tierarzt kommen lassen. Außerdem muss das Dach des Rinderstalls neu gedeckt werden.“
    „Ich werde die Pferde selbst zureiten“, Josephine legte alle Entschlossenheit in ihre Stimme, die sie aufbringen konnte. „Das habe ich früher getan und ich bekomme es wieder hin. Klar werde ich Hilfe brauchen, aber so sparen wir wenigstens einen Bereiter. Übrigens, nach dem Rappen und dem Cremello werden sich einige die Finger lecken. Wir kommen schneller aus dem Loch raus, als du denkst. Wart’s nur ab.“
    „Und was ist mit deiner Phobie?“
    „Einbildung. Eine Schwäche, die ich

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