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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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den Vorkoster.“ Er sah sie an, schamlos, doch zugleich den Eindruck vermittelnd, als sei er sich dieser Schamlosigkeit nicht bewusst. „Ist das Erdbeersoße? Ich liebe Erdbeeren.“
    „Ja. Was willst du zuerst?“ Josephine fuhr nervös über ihren Zopf. Diese Stimme – sie hatte die Intensität einer Berührung besessen. Sie war wie ein Versprechen gewesen. Ein Versprechen worauf? Dass seine Hände so waren, wie das Timbre seiner Stimme? Weich und streichelnd?
    „Vorsicht“, raunte er ihr zu.
    Sie hatte automatisch einen Löffel voll Erdbeersoße aus dem Topf genommen und davon probiert. Ihre Finger zitterten derart, dass ein Klecks auf ihrem Dekolleté gelandet war. Sie wollte ihn fortwischen, doch Nathaniel war so schnell bei ihr und packte ihre Hand, dass sie seine Bewegungen kaum wahrgenommen hatte.
    „Nein …“ wisperte sie erschreckt, doch sein Finger strich bereits über ihre Haut. Vorsichtig fing er den roten Tropfen auf, führte ihn zu seinem Mund und leckte ihn mit der Spitze seiner Zunge ab. Josephine sah ihm wie gelähmt zu. Es war eine Kostprobe von etwas Verbotenem. Ein sekundenlanger Flirt mit einem undurchschaubaren Abgrund. Nathaniel lächelte. Seine Lider senkten sich herab, als er genüsslich nach dem Geschmack der Soße forschte. Er tat es konzentriert und versunken, als eröffneten sich ihm tausend Nuancen in einem kleinen Tropfen.
    „Köstlich.“ Er streckte seine Hand erneut aus und berührte sie ein zweites Mal. Seine nasse Fingerspitze strich über ihre Haut, streichelte den Ansatz ihrer Brust, drückte sich für einen winzigen Moment in das weiche Fleisch.
    „Mehr“, schnurrte er, als er seine Hand zurückzog. Nicht ohne zuvor hauchzart über ihre Haut zu streichen. „Ich nehme beides. Zuerst das Fleisch, dann die Früchte.“
    Josephine fühlte sich elektrisiert. Mechanisch füllte sie einen Teller mit Essen und ein Glas mit Limonade, während Nathaniel zum Tisch hinüberging und sich auf den Stuhl sinken ließ. Langsam und fließend, in jeder Geste eine lauernde Geschmeidigkeit vermittelnd, als sei er sich ihrer permanenten Seitenblicke allzu bewusst. Ihre Haut brannte, dort, wo er sie berührt hatte. Sie hätte ihre Nervosität gern mit irgendetwas überspielt, doch ihr fiel nichts Sinnvolles ein. Viel zu hastig rührte sie in dem Topf herum, halbierte Erdbeeren und nahm Schlucke aus der Saftkaraffe, weil ihre Kehle sich anfühlte, als sei sie vertrocknet. Nathaniel sprach, während er aß, kein Wort.
Verliere dich nicht
, forderte ihr Verstand.
Es ginge viel zu schnell
. Ihre abenteuerlustige Seite aber antwortete:
Warum nicht? Tu das, wonach dir ist
.
    Seine Lippen schlossen sich um eine Erdbeere. Unverhohlen sinnlich. War er sich dessen bewusst? Ein Tropfen zähen Saftes lief in seinen Mundwinkel, und als er ihn mit dem Daumen fortwischte und ableckte, hörte die Welt um Josephine für einen kurzen Augenblick zu existieren auf.

 
    Sie entkam ihm nicht. Am frühen Nachmittag lud er mit einigen Arbeitern Strohballen ab, wobei er erneut auf jegliche Konventionen pfiff und sich, als die Sonne die aufgezogenen Wolken vertrieb, erneut seines T-Shirts entledigte. Verborgen hinter einem Kaminholzstapel beobachtete Josephine ihn eine Weile, amüsierte sich über die pikierten Blicke der Arbeiter und über Nathaniels gleichgültige Miene, der so tat, als sei er sich dieser Aufmerksamkeit nicht bewusst. Viel eher war es ihm wohl völlig egal, was andere über ihn dachten.
    Als sie schließlich am späten Nachmittag die Wohnungen über dem Pferdestall mit frischem Bettzeug versorgt hatte und nach getaner Arbeit durch die nur einen spaltbreit geöffnete Tür schlüpfen wollte, stieß sie um ein Haar mit ihm zusammen. Nathaniel ließ ihr weder den Vortritt noch schob er die Tür ein wenig auf – nein, er griff nach ihren Schultern, schob sich so dicht an ihr vorbei, dass ihre Körper einander streiften, und zwinkerte ihr mit einem Grinsen zu, das sie ihm am liebsten aus dem Gesicht geohrfeigt hätte. Wenigstens hatte er inzwischen das T-Shirt übergezogen, doch der dünne Stoff hatte nicht verhindern können, dass sie seine erhitzte Haut gespürt hatte.
    „Einen schönen Tag noch, Mrs. Campbell.“ Nathaniel verschwand im Treppengang zu den Wohnungen, noch ehe ihr eine schlagfertige Antwort eingefallen war. Verdammt, sie hätte ihm hier und jetzt die Stirn bieten können, doch stattdessen stand sieda wie ein begossenes Huhn.
    Für den Rest des Tages versuchte sie, ihm aus dem Weg

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