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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Wortes.“
    „Vorsicht“, gemahnte Nathaniel. „Am Anfang schießen alle besser als sie es erwarten. Hüte dich vor vorschnellem Stolz. Noch schießt du instinktiv, was gut ist, aber je verbissener du trainierst, umso mehr denkst du darüber nach. Je mehr du nachdenkst, desto häufiger geht der Schuss daneben. Es kommt darauf an, Erfahrung mit Gefühl zu vermischen. Übe ein paar Wochen, dann weißt du, was ich meine.“ Nathaniel nahm einen weiteren Pfeil aus seinem Köcher, diesmal einen der kostbaren rot Gefiederten. „Versuch den hier. Aber sei vorsichtig.“
    „Sagst du mir das, weil du mir das Prinzip des gerade beschriebenen Scheiterns demonstrieren willst?“
    „Erwischt“, gab er zu. „Die reine Angst davor, den Pfeil zu zerstören, hätte dich zu nervös für einen guten Schuss gemacht.“
    „Darf ich dich eines Besseren belehren?“
    „Nur zu.“
    „Ich nehme diesmal den Baum da hinten.“
    „Nein.“ Nathaniel schüttelte den Kopf.
    „Nein? Warum nicht?“
    „Der Ahorn ist bereits tot, aber der Baum, den du dir ausgesucht hast, ist jung und kräftig. Bäume bluten ähnlich wie Menschen, wusstest du das? Werden sie verletzt, bilden sie etwas, das man mit unseren Narben vergleichen kann. Oder sie gehen ein, weil Krankheiten durch ihre Wunden eindringen.“
    Josephine blickte vorsichtig zu Nathaniel auf. „Mag ja sein, aber die Bäume auf der Wiese müssen in ein paar Wochen sowieso gefällt werden.“
    „Was?“
    Sie hatte mit seiner Missbilligung gerechnet, doch die plötzliche Härte in seinem Gesicht ließ sie zurückzucken.
    „Wir müssen die Felder vergrößern“, beeilte sie sich zu erklären. „Es gefällt mir nicht, aber mit den Erträgen, die wir in den letzten Jahren eingefahren haben, kommen wir nicht mehr aus. Wir müssen die Produktion erhöhen, um …“
    „Also mehr Geld?“, knurrte Nathaniel verächtlich. „Mehr Gewinn? Du fällst diese Bäume dort, die ein paar Jahrhunderte durchlebt haben, um deine Felder noch weiter zu vergrößern?“
    „Wir müssen unsere Schulden abbezahlen. Wir brauchen mehr Erträge. Ich sagte schon, dass mir das nicht gefällt.“
    Nathaniel kam einen Schritt auf sie zu. Sie standen so nah voreinander, dass die Wärme seines Körpers durch ihre Kleidung kroch. Das schokoladige Braun seiner Augen vertiefte sich zu kalter Schwärze.
    „Sieh dir an, was du hast“, schleuderte er ihr entgegen. „Das Land gibt dir Unmengen an Früchten, deine Tiere sind gesund und kräftig, der Boden gut. Und doch reicht es nicht? Wenn all das dich nicht ausreichend gut leben lässt, dann liegt der Fehler bei dir.“
    „Ich tue mein Bestes.“ Josephine ballte angriffslustig die Fäuste. „Ich falle jeden Abend todmüde ins Bett, ich arbeite von morgens bis abends. Der Fehler soll also bei mir liegen? Ist das dein Ernst?“
    „Das wird langsam zur Gewohnheit.“
    „Was?“
    „Unser gegenseitiges Angiften.“
    „Dann erkläre es mir“, knurrte sie. „Wo genau liegt mein Fehler? Was mache ich deiner Meinung nach falsch?“
    „Du glaubst, zu viel zu benötigen. Du umgibst dich mit zu vielen unnützen Dingen und hast noch nicht verstanden, wie wenig wichtig ist, um zufrieden zu sein. Setz mich am Morgen splitterfasernackt im Wald aus, und am Mittag habe ich alles, was notwendig ist. Ausgenommen vernünftige Kleidung, denn das Gerben braucht seine Zeit.“
    Josephine drückte Nathaniel Bogen und Pfeil so unsanft vor die Brust, dass er einen Schritt zurückschwankte. „Erspar mir diesen wir-haben-früher-soviel-besser-gelebt-Quatsch. So was funktioniert heute nicht mehr. Ich habe Rechnungen, die ich bezahlen muss. Versicherungen und Steuern. Soll ich das Geld vielleicht herbeibeschwören? Einen Lottotanz aufführen, oder was? Oh nein, mir kommt da eine Idee, die sicher dein Wohlgefallen findet. Ich nähe mir ein Kleid aus selbst gegerbtem Leder und baue mir ein Zelt im Wald.“
    „Du wirst diese Bäume nicht fällen.“ Seine Stimme klang unverhohlen drohend. So gefährlich wie das Schwarz seiner Augen.
    „Und was willst du machen, wenn ich es doch tue?“
    „Dann wirst du mit den Konsequenzen leben müssen.“
    „Du drohst mir? Ist das dein Ernst? Das hier ist mein Land. Meine Farm und meine Angelegenheit.“
    „Mein Land“, schnaufte er missbilligend. „Meine Angelegenheit. Genau dieses Wort haben wir zahllose Male gehört. Meins, meins, meins. Was für ein erbärmliches, egozentrisches Denken.“
    „Ich habe Besseres zu tun, als mit dir alberne

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