Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
Vom Netzwerk:
erste Generation hatte 1970 dem Staat den Krieg erklärt, aber saß gut zwei Jahre später schon fast vollständig im Gefängnis. Während sie vor dem Hintergrund des Krieges in Vietnam vor allem US-Einrichtungen angegriffen hatte, wurde für ihre Nachfolger der westdeutsche Justizapparat zum Hauptfeind.

    Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor seinem Amtssitz.

    Wenige Tage vor seinem Tod hatte Siegfried Buback seinen wichtigsten Partner im Kampf gegen die RAF besucht: Horst Herold, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes. Bei Kaffee und Kuchen hatte der eine Reihe von Fotos gesuchter RAF-Mitglieder gezeigt und angemerkt: »Das sind unsere künftigen Mörder, Herr Buback.« 7 Dem Generalbundesanwalt war klar gewesen, dass er zu den gefährdetsten Personen der Republik zählte. Gudrun Ensslin hatte erklärt, dass er »den postfaschistischen Polizeistaat Bundesrepublik« verkörpere.

    Buback wurde 1940 als Jurastudent in Leipzig Mitglied der NSDAP. Er fiel öffentlich erstmals auf, als er im Oktober 1962 als Staatsanwalt die Durchsuchung der SPIEGEL-Redaktionsräume leitete, die die SPIEGEL-Affäre auslöste. Rudolf Augstein sagte später, er sei »ja wirklich kein Gentleman« gewesen. »Er saß auf meinem Stuhl, las meine SPIEGEL-Akten und trank mittags in der Kantine des Pressehauses zwei Schoppen Wein. Die hat er selbst bezahlt, immerhin.« 8 Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte beim Staatsbegräbnis für Buback in Karlsruhe: »Die Schüsse sollten dem Rechtsstaat überhaupt gelten.« Horst Herold versprach am offenen Grab: »Ich bringe sie dir alle.«

    Drei Wochen nach dem blutigen Attentat in Karlsruhe verkündete der Vorsitzende des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart am 28. April 1977 in der Stammheimer »Mehrzweckhalle« das Urteil gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Sie wurden jeweils zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Doch der Prozess, der sich über fast zwei Jahre und 192 Verhandlungstage hingezogen hatte, war zu einer bösen Blamage für den Rechtsstaat geworden. Der Vorsitzende Richter Theodor Prinzing hatte, nachdem ihn seine Kollegen für befangen erklärt hatten, den Vorsitz niederlegen müssen, weil er mit einem für eine Revision zuständigen Richter am Bundesgerichtshof über das Verfahren gesprochen hatte. Vertrauliche Gespräche zwischen den Angeklagten und ihren Verteidigern waren illegal abgehört worden.

    Fünf Tage nach dem Stammheimer Urteil erschien einer älteren Dame im Caféhaus Hanser, im Zentrum des südbadischen Städtchens Singen, ein junges Paar verdächtig. Die Rentnerin lief schnurstracks in das schräg gegenüber liegende Polizeirevier und erklärte, im Caféhaus Hanser frühstückten Terroristen. Kurz darauf kamen zwei junge Streifenpolizisten in das Café, doch das Paar erklärte, es habe seine Ausweise in seinem in der Nähe geparkten Wagen. Dass die beiden Polizisten einen fatalen Fehler gemacht hatten, als sie sich bereiterklärt hatten, gemeinsam zu dem Wagen zu gehen, merkten sie nach ein paar Hundert Metern. Als einer der beiden Beamten nach seiner Dienstwaffe griff, war die Frau schneller, zog eine Pistole, schoss dem Polizisten in den Arm und schoss weiter, als er bereits auf dem Boden lag. Den zweiten Beamten traf der Komplize sechs Mal. Er überlebte schwer verletzt.

    Das Paar rannte los und stoppte einen Opel Ascona. Als der Fahrer nicht aussteigen wollte, hielt der Mann ihm seine Pistole an die Schläfe und zog ihn aus dem Wagen. Doch die Flüchtenden kamen nicht weit und landeten, inzwischen von zwei Polizeiwagen verfolgt, auf freiem Feld in einer Sackgasse. Schließlich versuchten sie, zu Fuß zu entkommen, doch der Mann stürzte von einem Schuss in den Kopf getroffen nieder; die Frau wurde durch einen Schuss in den Unterschenkel verletzt und ergab sich.

    Es dauerte noch etliche Stunden, bis die Polizei die Identität der beiden Festgenommenen geklärt hatte, doch dann konnte sie endlich einen dringend benötigten Fahndungserfolg bekannt geben. Bei der Frau handelte es sich um Verena Becker, 24; der Mann wurde zunächst fälschlich als Knut Folkerts, 27, identifiziert, es war jedoch Günter Sonnenberg, 22. Becker und Sonnenberg hatten in Essen Fahrkarten nach Zürich gelöst, wollten aber über die grüne Grenze in die Schweiz gelangen. Sie waren auf dem Weg zu einem Schweizer Sammler, der eine Kleinanzeige im »Deutschen Waffenjournal« aufgegeben hatte, und wollten Schusswaffen kaufen.

    Dabei waren die beiden

Weitere Kostenlose Bücher