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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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Auftrag erteilt: Sie sollte dafür sorgen, dass drei Schusswaffen und Sprengstoff nach Stammheim geschmuggelt würden, in das angeblich sicherste Gefängnis der Republik. Die Stammheimer hatten die irrwitzige Idee, Generalbundesanwalt Siegfried Buback als Zeugen in ihren Prozess laden zu lassen, ihn als Geisel zu nehmen und auszubrechen.

    Beim Schmuggeln in das Stammheimer Gefängnis hatten Kuriere und Anwälte der RAF bereits Erfahrung erworben. Der Anwalt Arndt Müller hatte eine Minox-Fotokamera hineingebracht, mit der sich die Stammheimer unbemerkt fotografiert hatten. 5 Heizplatten und elektronische Bauteile waren ebenfalls eingeschmuggelt worden. Peter-Jürgen Boock und andere zerlegten kleine Pistolen in ihre Einzelteile und versteckten sie in Aktenordnern. Sie leimten einen Teil der Akten zu einem soliden Block zusammen, schnitten einen Hohlraum aus, verstauten die Ladung darin und klebten Papierbögen darüber. Die Ordner ließen sich noch immer einigermaßen gut durchblättern. Die Wachbeamten taten das auch gelegentlich, doch sie bemerkten nichts.

    Zur Übergabe des präparierten Ordners traf der Anwalt Arndt Müller in einer Besprechungszelle des Prozessgebäudes Gudrun Ensslin, die auch einen Aktenordner dabeihatte. Dort wurden die Ordner ausgetauscht. Müller wusste angeblich nicht, welch brisantes Gerät er seiner Mandantin mitbrachte. Von den Illegalen waren neben Mohnhaupt nur ihr Vertrauter Boock und Stefan Wisniewski, inzwischen der Dienstälteste im Untergrund, über die Waffentransporte informiert.

    Ensslin war die Stimme der Stammheimer. Ein- bis zweimal pro Woche schickte sie an die Illegalen verschlüsselte Kassiber. Sie drängte darauf, dass die seit Monaten geplante Aktion »Margarine« endlich umgesetzt werden müsse. Wenn die Illegalen nicht schnellstens aktiv würden, drohte Ensslin, werde ihnen das Recht aberkannt, sich RAF zu nennen. Doch so weit sollte es nicht kommen.

    Am 7. April 1977 morgens gegen 8 Uhr 30 beobachtete der Pächter einer Esso-Tankstelle in der Linkheimer Landstraße in Karlsruhe zwei Personen mit einem schweren Motorrad. Sie trugen olivgrüne Helme, und statt zu tanken, schraubten sie am Rücklicht der Suzuki GS 750. Vor allem aber beobachteten sie den Verkehr.

    Kurz nach 9 Uhr kam ein dunkelblauer Mercedes mit drei Männern die Linkheimer Landstraße herunter und musste an der Einmündung zur Moltkestraße an einer Ampel halten. Vorne saß Generalbundesanwalt Siegfried Buback, neben ihm sein Fahrer Wolfgang Göbel, hinter Buback der Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft, Georg Wurster. Sie fuhren zur Arbeit.

    Die beiden Motorradfahrer näherten sich dem Daimler von rechts hinten. Die Person auf dem Rücksitz zog aus einer Reisetasche ein Selbstladegewehr Heckler & Koch HK 43 und schoss in den Wagen; mindestens 15 Mal. Der Mercedes rollte führerlos über die Kreuzung, bis er an einem Poller zum Stehen kam: eines der düsteren Bilder des Jahres 1977.

    Die beiden Personen auf dem Motorrad rasten in Richtung Karlsruher Innenstadt davon. Ein RAF-Mitglied in einem Alfa Romeo wartete auf sie. Trotz der Ringfahndung, die die Polizei einleitete, konnten sie entkommen und fanden in einer konspirativen Wohnung in Mannheim Unterschlupf. Buback und Göbel erlagen noch am Tatort ihren Verletzungen; Wurster starb sechs Tage später. 6

    Die Kommandoerklärung schrieb Brigitte Mohnhaupt, unter Verwendung einer Vorlage der Stammheimer. Sie war gerade aus dem Nahen Osten in Amsterdam eingetroffen. »für akteure des systems selbst findet die geschichte immer einen weg«, hob sie an. »am 7. 4. 77 hat das kommando ulrike meinhof generalbundesanwalt buback hingerichtet.« Er sei »direkt verantwortlich für die ermordung« der RAF-Mitglieder Holger Meins, Siegfried Hausner und Ulrike Meinhof - Meins war im Hungerstreik gestorben, Hausner nach einem Transport mit lebensgefährlichen Verletzungen; Meinhof hatte sich in ihrer Zelle erhängt. In dem Bekennerschreiben, für dessen Verbreitung unter anderen Verena Becker sorgte, hieß es weiter: »wir werden verhindern, dass unsere fighter in westdeutschen gefängnissen ermordet werden, weil die bundesanwaltschaft das problem, dass die gefangenen nicht aufhören zu kämpfen, nicht anders als durch ihre liquidierung lösen kann.« Die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen jedenfalls bestimmte nicht zuletzt der Generalbundesanwalt.

    Die Ermordung Bubacks war die erste spektakuläre Aktion der zweiten Generation der RAF. Die

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