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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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schon ziemlich gut gerüstet. Die Singener Polizisten fanden in einem Rucksack, den das Paar dabeihatte, zwei Revolver, drei Pistolen und vor allem das Heckler-&-Koch-Selbstladegewehr, mit dem Buback ermordet worden war. Becker hatte im Wagen versucht, damit auf die Verfolger zu schießen, doch war am Entsichern der Waffe gescheitert. Nachdem Becker das Gewehr im Auto zurückgelassen hatte, griff ein Polizist es sich und schoss sie damit an.

    Die RAF-Illegalen blieben trotz der Verhaftungen schlagkräftig. Und die mit dem Buback-Attentat gestartete »Offensive 77«, wie RAF-Mitglieder später den Aktionszyklus dieses Jahres nannten, durfte nicht ins Stocken geraten. Die Stammheimer sollten endlich aus dem Gefängnis geholt werden. Zunächst wollten die Terroristen einen Bankier entführen - drei Namen standen auf der Liste. Falls das nicht ausreichen sollte, noch den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Mit diesem Doppelschlag sollte die Bundesregierung in die Knie gezwungen und ein Dutzend RAF-Gefangene freigepresst werden.

    In Raunheim, zwischen Frankfurt und Wiesbaden, war bereits eine konspirative Wohnung angemietet, da erhielten die Illegalen von einem Kurier eine elektrisierende Nachricht. Die Hamburger Anwaltstochter Susanne Albrecht, die seit 1974 zum Anti-Folter-Komitee in der Hansestadt gehörte und die Freundin des Stockholm-Attentäters Karl-Heinz Dellwo gewesen war, hatte dem Kurier Volker Speitel erzählt, ihre jüngere Schwester Julia sei das Patenkind von Jürgen Ponto, dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank; ihr Vater sei mit Ponto seit Studentenzeiten eng befreundet.

    Ponto war einer der drei Bankiers, die auf der Liste der potenziellen Entführungsopfer der Illegalen standen. Er war Berater und Freund des Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Jetzt sahen die RAF-Kader die Chance, ohne großes Risiko Ponto zu entführen, und schlugen Albrecht vor, zu ihnen in den Untergrund zu kommen.

    Albrecht traf sich viermal mit Stefan Wisniewski, der sie noch aus seiner Hamburger Zeit kannte, und Sieglinde Hofmann, die für den Kontakt mit legalen Unterstützern zuständig war. Die beiden RAF-Kader forderten revolutionäre Konsequenz von Albrecht. Sie wolle doch auch die Stammheimer vor dem sicheren Tod retten. Außerdem erklärten sie ihr, dass Ponto - wenn sie nicht mitmache - auf der Straße gekidnappt würde und dies blutig enden könnte. Susanne Albrecht hielt dagegen, dass sie dann sofort ganz oben auf der Fahndungsliste stehen würde. Doch der moralische Druck, die Gefangenen vor dem Tod zu retten, war stärker, Albrecht willigte schließlich ein, die Türöffnerin zu spielen.

    RAF-Mitglieder Peter-Jürgen Boock und Susanne Albrecht.

    Die 1951 in Hamburg geborene Sozialpädagogin, die heute in Norddeutschland lebt und Migrantenkindern Deutsch beibringt, war erstmals im Mai 1973 in Hamburg bei der Räumung eines besetzten Hauses festgenommen worden. Beamte eines Mobilen Einsatzkommandos warfen sie auf den Boden und banden ihr die Hände mit tief einschneidenden Fesseln auf dem Rücken zusammen. Sie war schockiert. Insgesamt sieben der Hausbesetzer gingen später zur RAF. Albrecht arbeitete zunächst in einem Solidaritätskomitee für die inhaftierten Hausbesetzer, schloss sich dem »Antifolterkomitee« in der Hansestadt an und wurde bald bei der Einreise aus den Niederlanden mit fünf Sprengzündern erwischt.

    Kurz nach Pfingsten 1977 nahm Albrecht zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder Kontakt zu den Pontos auf. Von ihrer Mutter angekündigt, übernachtete sie bei ihnen. Einen Monat später tauchte sie wieder in Oberursel auf und unterhielt sich länger mit Corinna Ponto, der Tochter des Hauses. Beiläufig erkundigte sie sich dabei nach Alarmanlagen, Hauspersonal und Hunden. Eigentlich waren die Entführungen von Ponto und Schleyer für den Spätsommer geplant, doch es entstand unerwartet Zeitdruck. Albrecht telefonierte am 29. Juli 1977 mit Ignes Ponto, der Frau des Bankiers, und erfuhr, dass sie und ihr Mann am Abend des nächsten Tages zu einer längeren Reise nach Südamerika aufbrechen würden.

    Nun ging alles sehr schnell. Am Mittag des nächsten Tages trafen sich die Mitglieder des Entführungskommandos in einer konspirativen Wohnung in Frankfurt. Susanne Albrecht, die Türöffnerin; Brigitte Mohnhaupt, die Chefin, wollte auch einmal an vorderster Front dabei sein; Boock, der etliche Jahre in Frankfurt gelebt hatte, war wegen seiner Ortskenntnis als Fahrer vorgesehen. Der Vierte

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