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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sontheimer
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April, der für ältere Deutsche unauslöschlich als »Führers Geburtstag« mit Adolf Hitler verbunden ist. Horst Herold, der ehemalige Chef des Bundeskriminalamtes, stellte deshalb auch ungläubig fest: »An einem solchen Tag löst sich eine RAF, wie ich sie kenne, nicht auf.« 15

    Die RAF war auch nicht mehr die RAF, die Herold, der 1981 zurückgetreten war, gekannt und bekämpft hatte. Wer sich in den letzten Jahren hinter dem Logo mit dem Stern und der Maschinenpistole versteckte, weiß bis heute niemand. »sie wissen nicht viel über uns«, hatte die Terrorgruppe sich noch 1996 gebrüstet. »sie haben noch nie wirklich durchgeblickt, wie unsere strukturen aussehen oder wer in der raf organisiert ist.« 16

    Von den 22 bekannten Taten der dritten Generation sind nur zwei eindeutig aufgeklärt: der Mord und der Mordversuch von Wolfgang Grams in Bad Kleinen. Alle anderen Aktionen, bei denen zusammen zehn Menschen ermordet und 29 verletzt wurden, bleiben rätselhaft. Zuletzt fanden die Fahnder im September 1985 eine konspirative Wohnung in Tübingen. Wo die Terroristen der dritten Generation seitdem über all die Jahre gelebt haben, wissen nur sie. Patrick von Braunmühl, der Sohn des von der RAF ermordeten Diplomaten, sagt: »Dass der enorme Verfolgungsapparat bislang über die dritte Generation fast nichts herausgefunden hat, ist ein Armutszeugnis.« Das ist noch sehr freundlich ausgedrückt.

    Alte Fahndungsfotos der verschwundenen RAF-Mitglieder Volker Staub, Daniela Klette, Burkhard Garweg.

    Experten des BKA haben immer wieder alte Asservate mit neuen Methoden untersucht. So konnten sie beispielsweise Haare, die auf einem Teppichstück in Weiterstadt gefunden wurden, Ernst-Volker Staub, Daniela Klette und Burkhard Garweg zuordnen. Staub zählte zu der Gruppe, die im Juli 1984 nach dem Malheur mit der Pistole in Frankfurt verhaftet wurde. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte ihn im Februar 1986 wegen Mitgliedschaft in der RAF zu vier Jahren. Doch Staub tauchte bald nach seiner Entlassung wieder ab. Seine Gefährtin, so vermuteten die BKA-Fahnder, war dann Daniela Klette, die seit 1978 zur Roten Hilfe in Wiesbaden gehörte und so mit Hogefeld und Grams zuammentraf. Auf den Papieren, die Ermittler in Bad Kleinen sicherstellten, fanden sich Fingerabdrücke von Staub und von Klette.

    Zum letzten Mal hinterließ das mysteriöse Paar Spuren in Duisburg, am 30. Juli 1999, mehr als ein Jahr nach der Auflösung der RAF. Vor einem Einkaufszentrum im Stadtteil Rheinhausen brachten drei Vermummte in zwei Fahrzeugen einen Geldtransporter zum Stehen. Dann zwang das mit einer Panzerfaust, einer Maschinenpistole und einem Sturmgewehr bewaffnete Trio die beiden Geldboten, die Türen ihres gepanzerten Fahrzeugs zu öffnen. Die Räuber entkamen mit über einer Million Mark. An den am Tatort zurückgelassenen Helmen und Sturmhauben fanden BKA-Experten DNA-Spuren von Staub und Klette. Es sieht so aus, als hätten die beiden ihr Handwerkszeug und ihre Expertise noch einmal eingesetzt, um sich ihre Rente zu organisieren.

    Zusätzlich zu dem Phantompaar ist der einstige RAF-Mann Burkhard Garweg spurlos verschwunden. Er radikalisierte sich in den 1980er Jahren in Hamburg, in den besetzten Häusern an der Hafenstraße. Garweg ist ein Beispiel dafür, dass die RAF ein generationsübergreifendes politisches Abenteuer war. Als Andreas Baader und Gudrun Ensslin im April 1968 in Frankfurt in den beiden Kaufhäusern Feuer legten, um ein Fanal für die Revolution zu setzen, war der letzte gesuchte RAF-Mann noch gar nicht geboren.

Kapitel 10

    Die Mühen der Aufarbeitung

    Die Debatte über die RAF dominierten stets Politiker. Sie verdammten die Anschläge der Terroristen; sie geißelten ihre Sympathisanten; sie machten Vorschläge, wie man der Gruppe Herr werden könnte. Politiker benutzten den Terrorismus, um ihren politischen Gegnern wahlweise liberale Laschheit vorzuwerfen oder sie der Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze zu bezichtigen. Gelegentlich meldeten sich Intellektuelle zu Wort, Heinrich Böll, Martin Walser oder Hans Magnus Enzensberger. Sie kritisierten die Terroristen, aber auch die Reaktionen der Politiker auf sie und wurden deshalb von beiden Seiten angegriffen.

    Die Kader der RAF sprachen durch ihre Taten und in ihren Kommandoerklärungen. Sie begriffen ihre Anschläge als »Propaganda der Tat«, die für sich selbst sprechen sollte. Nicht zu hören hingegen waren die Angehörigen der RAF-Opfer. Die

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