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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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wollte ich es nicht wissen.«
    Er schlug nicht den Weg zum Hauptgebäude ein.
    »Wohin gehen wir?«
    »Haus V. Der letzte Schuppen, den wir noch nicht durchsucht haben.«
    Nummer fünf war das große, fensterlose Haus am Fuß des Hügels, über das sie beim ersten Besuch nichts erfahren hatten. Die Gruppe Polizisten wartete mit einem Angestellten des Sicherheitsdienstes und dem leichenblassen Direktor vor dem verschlossenen Tor. Er nahm einen letzten Anlauf, die Durchsuchung des Gebäudes zu verhindern. Seine Erklärung hörte sich an wie ein Stoßgebet:
    »Hier drin lagern giftige Chemikalien, nichts anderes. Müssen wir wirklich ...«
    »Aufmachen«, befahl der Inspektor.
    Die Tastatur neben dem massiven Stahltor war ein deutliches Zeichen, dass sich das Gebäude nur mit dem richtigen Code öffnen ließ. Dem Code des Direktors wohl, doch der rührte sich nicht.
    »Worauf warten Sie?«
    Der Mann vom Sicherheitsdienst trat zur Seite. Zögernd setzte sich der Direktor in Bewegung und tippte die sechs Ziffern langsam und vorsichtig ein, als fürchte er sich vor dem, was ihn im Haus erwartete. Das Schloss knackte. Die Männer des Inspektors schoben das Tor auf und sie traten ein. Ein Lager für giftige Chemikalien war das nicht, dachte Leo. Es gab keine Schleuse, keine Schutzanzüge. Die riesige Halle erstreckte sich über drei oder vier Stockwerke. Auf haushohen Metallgestellen stapelten sich Fässer und Kisten bis unter die Decke. Die Wege zwischen den Regalen glichen eher Strassen, auf denen ohne weiteres kleine Lastwagen zirkulieren konnten. Auf den ersten Blick war es nichts anderes als ein vollautomatisches Roboterlager, wie es jede andere moderne Fabrik auch besaß.
    »Wir brauchen mehr Leute«, schloss der Inspektor angesichts dieser Dimensionen. Er rief zwei weitere Teams über Funk herbei. Bald durchkämmten über ein Dutzend seiner Männer die Halle nach Regalen oder Behältern, die nicht im Computer des Lagerhaltungssystems verzeichnet waren. »Das wird Tage oder Wochen dauern«, warnte er den Direktor. »Eine lange Zeit, in der ihre Produktion stillsteht.«
    »Das können Sie nicht tun! Wissen Sie, was das kostet?« Der Direktor war nahe daran, in Tränen auszubrechen.
    »Sie können das Ganze natürlich auch abkürzen.«
    »Wie das?«
    »Indem Sie uns einfach verraten, was Sie hier verstecken.«
    »Ich weiß wirklich nicht ...«
    »Hören Sie auf, mir etwas vorzumachen. Warum wollten Sie verhindern, dass wir uns hier umsehen, wenn das nur ein harmloses Lager ist?«
    Der Direktor hüstelte verlegen. »Ich weiß nicht – ich war schockiert. Wie reagieren Sie, wenn Sie eine solche Armee überfällt?«
    »Wir sind mit gutem Grund hier, wie ihre kleine Spezialfabrik für Alpha-III beweist. Also, was ...«
    Ein Polizist sprang herbei und unterbrach ihn aufgeregt: »Chef, wir haben da etwas.«
    Leo folgte den Männern zur hintersten Reihe der Regale. Eine Gruppe Uniformierter stand vor ein paar offenen Kisten, in denen transparente Plastikbeutel lagerten. Sie waren prall gefüllt mit unterschiedlichen weißen Pulvern, die an Mehl, Salz und gewöhnliches Waschpulver erinnerten.
    »Das nenne ich mal einen schönen Anblick«, grinste der Inspektor. »Und alles fein säuberlich etikettiert.« Genießerisch, wenn auch arg stockend, las er die Bezeichnungen der Kisten vor: »Me-thyl-phe-ni-dat, Methamphetamin, und zwei ganze Kisten voll Koks.« Er wandte sich an den Direktor und fragte ironisch: »Ist es das, was Ihnen Sorge bereitet?«
    »Das – sind Grundstoffe für Medikamente.«
    »Aber sicher. Wissen Sie, was ich denke? Das sieht mir eher aus wie ein illegales Drogendepot.«
    Leo schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich muss dem Direktor zustimmen«, sagte sie zur Verblüffung des Inspektors. »Das sind tatsächlich Grundstoffe für Analeptika. Medikamente für die Behandlung von Epilepsie, zum Beispiel.«
    »Kein Scheiß?«
    Der Beamte, der sie geholt hatte, räusperte sich: »Chef?«
    »Was ist?«
    »Die Substanzen stehen wohl auf der Liste des Lagers, aber gemäß System müssten alle Kisten versiegelt und voll sein. Sind sie aber nicht. Bei beiden Kokainkisten ist das Siegel aufgebrochen, und es fehlen schätzungsweise hundertachtzig Pfund.«
    Der Direktor wurde noch blasser. »Das muss ein Irrtum sein«, keuchte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ein Irrtum von zwei Millionen Dollar, nach aktuellem Straßenpreis«, gab der Inspektor böse zurück. »Meine Herren, gute Arbeit. Wir schließen

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