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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Mail-Ordner an, und zum ersten Mal an diesem Morgen erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Die Ablagen waren offenbar nach Produktgruppen organisiert, und eine trug den auffälligen Namen A3. »Sei gegrüßt, Alpha-III«, murmelte sie und atmete erleichtert auf. Ihr Puls stieg, als sie auf das Symbol des Ordners klickte. Leer. »Merde alors!«, rief sie laut und sprang auf. Sie musste ein paar Schritte auf und ab gehen, um sich abzuregen. Wenigstens bestätigte der leere Ordner ihre Vermutung, tröstete sie sich. Sie rief nochmals den Analysereport auf, blätterte weiter, über die gelöschten Dateien hinweg, bis sie sah, was sie suchte. Kendall hatte ebenfalls an diesem Morgen ein Mailarchiv erstellt und auf einen zentralen Server ausgelagert. Sie fand die große Datei rasch. Sie war verschlüsselt, ihr Verdacht endgültig bestätigt. Kein Zweifel, dieses Archiv enthielt schön gebündelt die ganze Kommunikation zum Thema Alpha-III, der unheimlichen Droge der H2-Brüder.
    Sie griff zum Telefon. Zwei Uhr nachmittags in Lyon. Sie wusste, dass Isaac schon den ganzen Mittag über in seiner Kommandozentrale auf ihren Anruf wartete.
    »Gefunden?«, begrüßte er sie, kaum war der erste Summton verhallt.
    »Ich denke schon. Ein Mailarchiv, komprimiert, zwanzig Megabytes, verschlüsselt. Kannst du Martine damit füttern?«
    Martine war ihr Kosewort für Martinet, den Supercomputer, der seinen Namen dem schnellsten Tier dieser Erde verdankte, der Mauerschwalbe. Sie nahm an, dass diese Maschine nicht länger als zehn Minuten mit der Entschlüsselung beschäftigt sein würde, selbst wenn Kendall vorsichtig einen sehr langen Schlüssel verwendet hatte.
    Eine Viertelstunde nach der Übermittlung des Files zeigte ein Piepston an, dass die entschlüsselte Version des Alpha-III Archivs auf ihrem Computer eingetroffen war. Die dritte Tasse des rabenschwarzen Kaffees in der einen, die Maus in der andern Hand, öffnete sie den Ordner. Sie sortierte die Nachrichten nach ihrem Eingangsdatum, die letzte zuerst, und begann zu lesen.
    Sie hatte sich nicht getäuscht. Mit diesem Mailverkehr ließ sich die Entwicklung der Droge von den Anfängen bis zu ihrer Perfektion unter der Bezeichnung Alpha-III lückenlos nachweisen. Inklusive der Rückschläge und fatalen Fehlschläge. Es lief ihr kalt über den Rücken, als sie die Namen von Michel und seinen Freunden in einem Text entdeckte.
     
    Max, du musst wissen, dass mir Michel Simons Tod besonders nahe geht. Er darf uns indessen nicht vom richtigen Weg abbringen. Der Feldzug ist noch nicht zu Ende, die letzte Schlacht noch nicht geschlagen, aber wir waren noch nie so nahe am triumphalen Sieg. So tragisch einzelne Verluste sind, wir müssen sie akzeptieren. Gemessen am erreichten Ziel werden sie letztlich nicht ins Gewicht fallen.
     
    Der Absender war ein [email protected], der auf eine alarmierende Anfrage Kendalls antwortete. Die Meldung war nichts weniger als ein schriftliches Schuldgeständnis. »Sieh an«, grinste sie. Der Colonel verschickte seine Mails aus der Uni. Sein Absender tauchte neben der Adresse remedis.com am häufigsten auf. Dieses Archiv würde sie und ihre Kollegen bei Interpol noch lange beschäftigen.
     
    Leo hielt es nicht lange an Audrey Seite. Die mühsame Suche in Kendalls Datenwald ging ihr viel zu langsam, zumal sie keine Ahnung hatte, was ihre Tochter eigentlich machte. Sie verließ das Büro nach ein paar Minuten und suchte den Inspektor. Sie fand ihn in einer Halle, die sie vom letzten Besuch her nicht kannte. Er stand mit zwei seiner Leute und Angestellten in weißen Mänteln vor einer Schleuse und hielt eine Schale in der Hand. »Sind das die Drogen, die Sie suchen?«, fragte er, als er sie erblickte.
    Sie hatte diese roten Kapseln zuletzt auf der Leinwand im Kloster Saint-André gesehen. »Das sind sie«, nickte sie lächelnd. »Gratuliere.«
    »O. K., Sie besorgen uns schnellstens alle Unterlagen zu diesem Produkt«, fuhr er einen der Angestellten an. »Diese Halle wird versiegelt.« Er besprach sich kurz mit seinen Männern, dann wandte er sich zum Ausgang und bedeutete ihr, ihm zu folgen. »Hat Kendalls Computer etwas ergeben?«, fragte er beim Hinausgehen.
    »Weiß nicht. Wenn verdächtige Daten im System sind, findet sie sie garantiert.« Sie sagte es mit gutem Gewissen. Audrey hatte den Ruf, jede Nadel im digitalen Heu zu finden.
    Er grinste. »Sie sind sehr überzeugt von ihrer Tochter.«
    »In dieser Hinsicht schon.«
    »Oh, Verzeihung, so genau

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