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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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kleinen Flugplatzes war hell erleuchtet, die ganze Gegend schien in vielfarbiges Scheinwerferlicht getaucht.. Kolonnen stehender Fahrzeuge verstopften die Strassen entlang des Flusses und überall blinkten blaue und gelbe Warnleuchten. »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er den Piloten beim Verlassen des Flugzeugs.
    »Strahlenalarm«, antwortete ein sichtlich gereizter Captain. »Vor dreißig Minuten ist allgemeiner Strahlenalarm ausgelöst worden. Die Bevölkerung wird evakuiert. Die rechnen damit, dass das AKW in die Luft fliegt.« War er zu spät gekommen? Seine Sorge galt nur Patricks Schicksal, der Strahlenalarm ließ ihn kalt.
    Ein Gendarm nahm ihn in Empfang und dirigierte ihn zum wartenden Hubschrauber. »Auf der Strasse kommt keiner durch«, bemerkte der Polizist, während sich die Maschine in die Höhe schraubte. Es dauerte keine fünf Minuten, bis er am scharf bewachten Eingang zum Reaktor Tricastin-2 stand. Wortlos eskortierten ihn zwei schwer bewaffnete Männer zur Leitstelle.
    Der Einsatzleiter hielt sich nicht mit Begrüßungsformeln auf. Sobald Michel den Raum betrat, bellte er: »Die Kühlung ist ausgefallen. Er blockiert die Notabschaltung. Ich gebe Ihnen genau fünf Minuten, dann stürmen wir, sonst fliegt uns hier alles um die Ohren. Verstanden?«
    Einer seiner Männer reichte ihm ein Funkgerät. »Er kann Sie hören, aber er antwortet nicht«, erklärte er dazu.
    Es war soweit. Nun schien alles von ihm abzuhängen. Er wusste noch immer nicht, was um alles in der Welt er sagen sollte, aber er musste handeln. Er drückte die Sprechtaste. »Patrick? Michel hier. Bitte melde dich, wir müssen reden. Es ist dringend.« Blödsinn , dachte er ärgerlich, sobald er es gesagt hatte.
    Zum Erstaunen aller knackte es in der Leitung. Patrick, der Terrorist, meldete sich zum ersten Mal seit er sich im Containment verschanzt hatte. »Michel, bist du es wirklich?«
    »Ja, merde, Chantal macht sich die größten Sorgen. Lass mich hinein, ich habe Neuigkeiten, die nur dich und mich etwas angehen.« Das war eine glatte Lüge, doch sie erfüllte ihren Zweck. Nach kurzem Zögern antwortete Patrick:
    »Nur du! Alle andern verschwinden aus der Leitstelle. Wenn ich eine verdammte Waffe sehe, ist der Wachmann tot.«
    Der Einsatzleiter gab seinen Männern das Zeichen, aus dem Blickfeld der Schleusentür zu verschwinden, ohne den Raum zu verlassen. »Sie ziehen sich zurück«, sagte Michel. »Ich bin jetzt an der Tür. Mach auf.«
    Das Schloss öffnete sich mit leisem Knacken. Die Tür schwang einen Spalt auf, kaum breit genug, ihn hindurchzulassen. Patricks Hand schoss heraus, packte ihn am Ärmel und zog ihn blitzschnell hinein.
    »Wir haben noch drei Minuten, dann stürmen sie«, sagte Michel, während sein Freund die Tür wieder verriegelte. Der Anblick erschreckte ihn. Verschwitzt, mit Haaren, die ihm in der Stirn klebten, der Pistole in der Hand und Augen, die ihn mit einer Mischung aus eiskalter Berechnung und nackter Angst beobachteten, glich Patrick einem gefährlichen Psychopaten. Er schien ihn nicht verstanden zu haben, brummte nur:
    »Ich habe nichts gefunden. Muss mich wohl doch getäuscht haben. Diese verfluchten Halluzinationen.«
    »Darüber wollte ich mit dir reden, Patrick. Aber nicht hier. Die müssen den Reaktor abschalten, die Kühlung scheint nicht mehr zu funktionieren.«
    Sein Freund schüttelte resigniert den Kopf. »Ich will es jetzt wissen. Ist es auch in mir?«
    Michel nickte zögernd. Sein Freund würde eine Lüge sofort durchschauen.
    »Kann man es heilen?«
    Wieder zögerte er, länger diesmal. »Ich – weiß es nicht. Wir müssen dich gründlich ...« Untersuchen, wollte er sagen, aber Patrick hörte ihn nicht mehr. Ohnmächtig musste er mit ansehen, wie die Hand mit der Pistole hochfuhr, der Lauf in seinem Mund verschwand und das gepeinigte Gehirn seines Freundes an die Wand spritzte. Erst dann hörte er den Schuss.
    »Nein!«, schrie er außer sich. Mit einem Satz stand er bei Patrick, fing den fallenden Körper auf und entwand ihm die Pistole. Fassungslos, am ganzen Leibe zitternd, stand er vor der Leiche seines Freundes, als die Schleusentür mit Blitz und Donner aufflog. Die Männer des Einsatzkommandos stürmten herein, sahen die Waffe in seiner Hand und feuerten. »Halt, sichern!«, waren die letzten Worte, die er wahrnahm, dann wurde ihm schwarz vor den Augen und er sank besinnungslos zu Boden.
Butte Aux Cailles, Paris
    Leo fand keinen Schlaf. Sie war zu aufgeregt, sich auch

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