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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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werden. In der Zwischenzeit sehen Sie sich nach andern Dichtungen um.«
    Niemand wandte etwas gegen diesen vernünftigen Vorschlag ein. Die Beschlüsse waren gefasst, die Konferenz beendet. Er gab dem Leiter ein Zeichen, bevor er seinen Leuten in die Zentrale folgen konnte und erklärte ihm sein Problem mit Reaktor 2, ohne ihn mit Vorwürfen zu provozieren. »Ich bin im Leitstand 2, wenn Sie mich suchen«, schloss er. »Ich will wissen, was da los ist.«
    »Ich auch, das können Sie mir glauben. Ich komme nach, sobald alles organisiert ist.«
    Als er im Leitstand eintraf, ging der Alarm los. Warnlampen blinkten und durchdringendes, schweißtreibendes Hupen erfüllte den Raum. Drei Männer und eine Frau standen an der riesigen Konsole, überprüften die Anzeigen, quittierten die Fragen, die der Schichtleiter aus der Checkliste vorlas. Niemand beachtete ihn, bis die Prozedur abgeschlossen, der Alarm quittiert war. Das nervtötende Geräusch verstummte. Der Schichtleiter reichte ihm freundlich die Hand und sagte lächelnd: »Kein Grund zur Beunruhigung, Monsieur. Die Notstromversorgung hat sich vorübergehend zugeschaltet. Das Netz hat die Abschaltung der drei andern Reaktoren nicht verkraftet.«
    Die simple Erklärung des Technikers schien Patrick plausibel. Dem Netz fehlten praktisch auf einen Schlag fast drei Gigawatt Leistung. »Die Pumpen laufen am Notstrom?«, fragte er, obwohl er die Anzeigen sehr wohl zu deuten wusste.
    Der Angestellte nickte, dann wandte er sich den Überwachungsmonitoren zu.
    Patrick tat das Gleiche. Auf einem der Bilder aus dem Containment sah er zwei Gestalten in weißen Schutzanzügen. »Sind das die Sicherheitsleute?«, fragte er, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
    Wieder nickte der Mann. »Wie Sie verlangt haben. Sie sind auf dem Rückweg. Haben alles durchsucht, aber nichts Verdächtiges gefunden.«
    Das werden wir gleich hören , dachte er verstimmt. Hatte er Gespenster gesehen? Er wusste nicht, worüber er sich mehr ärgern sollte: über die Unfähigkeit des Suchtrupps oder sein neuerdings unzuverlässiges Hirn. Er nahm sich jedenfalls vor, diesen beiden Herren gründlich auf den Zahn zu fühlen.
    Zehn Minuten später wusste er, dass der Sicherheitsdienst den Dschungel von Röhren, Ventilen, Tanks und Aggregaten im Containment vergeblich nach Spuren der Eindringlinge abgesucht hatte. Manipulationen an den Maschinen? Daran hatten sie nicht gedacht, und dafür waren sie nicht ausgebildet. Er hasste dieses eindimensionale Spezialistentum. Eine so komplexen Technologie stellte ganz andere Anforderungen an alle Mitarbeiter, aber das war ein altes Problem, das wohl kaum je gelöst würde. Er musste der Sache auf den Grund gehen. Je länger er darüber nachdachte, desto größer wurde seine Gewissheit, dass in diesem Reaktor einiges nicht stimmte. Die Gestalten auf dem Bildschirm waren keine Einbildung. Was wurde hier manipuliert?
    »Ich gehe rein«, entschied er.
    Beide Sicherheitsleute antworteten gleichzeitig: »Sie dürfen da jetzt nicht hinein.«
    Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Wie bitte? «, schnaubte er wütend. »Für wen halten Sie sich? Da Sie offensichtlich überfordert sind, werde ich selbst nachsehen, und niemand wird mich daran hindern.«
    Der Wortführer der beiden ließ sich nicht beeindrucken. Er wiederholte ruhig, aber bestimmt: »Wir dürfen Sie nicht ins Containment lassen. Nur mit Genehmigung der Betriebsleitung.«
    Die Betriebsleitung war anderweitig beschäftigt. Er hatte keine Zeit für solche Spielchen. Wenn er erfahren wollte, was hier falsch lief, musste er jetzt handeln. Wortlos ging er zur Schleuse, doch bevor er die Tür erreichte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er fuhr blitzschnell herum, bog dem Wachmann den Arm auf den Rücken, dass er sich vor Schmerz krümmte, zog seine Pistole aus dem Halfter und hielt sie ihm an die Schläfe. »Nicht mit mir!«, fauchte er. Die Techniker erstarrten mitten in ihrer Arbeit. Einer nach dem andern hoben sie die Hände, als sei die Waffe auf sie gerichtet. Nach einer Schrecksekunde griff der Kollege des Überrumpelten automatisch zu seiner Waffe. Patrick drückte den Lauf der Pistole fester gegen die Schläfe seiner Geisel und schnauzte ihn an: »Fallen lassen! Diese hier ist entsichert.« Ein Bluff, aber er wirkte augenblicklich. »Schieben Sie die Waffe herüber!« Die Techniker standen noch immer wie angewurzelt an ihren Plätzen. »Die Konsolenschlüssel, schnell!«, rief er ihnen zu.

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