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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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natürlich nicht meine Absicht. Umso wichtiger scheint mir, dass wir darüber reden.«
    »Schon, nur kann ich mich nicht mehr an Details aus jener Zeit erinnern. Ich glaube, ich besitze nicht einmal mehr die Unterlagen von diesem Aufenthalt im Jura. Ist wohl alles der letzten Umzugsaktion zum Opfer gefallen. Sie glauben wirklich, dass dieser Feldeinsatz an allem Schuld ist?«
    »Nach dem, was mir vorliegt, muss ich annehmen, dass damals etwas geschehen ist, das möglicherweise auch Ihr Leben verändert hat, auch wenn Sie glücklicherweise keine Symptome spüren.« Sie sah, wie er sich angestrengt zu erinnern suchte und ließ ihm Zeit. Schließlich gab er verärgert auf:
    »Tut mir leid, das Gedächtnis lässt mich im Stich. Die Episode machte damals wohl keinen bleibenden Eindruck auf mich. Ich weiß nur noch, dass wir an verschiedenen Orten im französischen und Schweizer Jura gearbeitet und gesoffen haben, und dass Lorenzo dabei war. Bei Michel bin ich mir schon nicht mehr so sicher.«
    Leo überraschte es nicht. Sie hatte nicht erwartet, dass sich die Männer an Einzelheiten eines Einsatzes erinnerten, den sie als akademische Routine erlebt hatten. Das war der eigentliche Grund, weshalb sie ihren Gast in die Praxis gebeten hatte. Sie wollte ernsthaft mit ihm arbeiten, und das konnte sie nirgends besser als hier. Sie lächelte ihm aufmunternd zu und antwortete: »Ich verstehe das. Die Erinnerung ist zwar in unserm Hirn gespeichert, aber sie ist nicht mehr zugänglich. Das ist meistens ein Segen, aber manchmal ärgerlich.«
    »Sie sagen es. Ich wüsste doch zu gerne, was damals geschehen ist. Sie haben mich ganz schön neugierig gemacht.«
    Das war ihr Stichwort. Sie hatte gehofft, er würde so etwas sagen, denn es erleichterte ihre Arbeit entscheidend. »Es gibt eine Möglichkeit, an die Erinnerung heranzukommen, wenn Sie das möchten«, sagte sie vorsichtig. Er blickte sie nur fragend an. »Ich spreche von Hypnose. Eine leichte Hypnose genügt manchmal schon, um sich an Dinge zu erinnern, die man vergessen glaubte.«
    »Hypnose«, wiederholte er leise. »Ist ja ihr Spezialgebiet, nicht wahr?«
    »Unter anderem, könnte man sagen«, lachte sie, erleichtert, dass er nicht sofort abblockte. »Wir wenden die Methode hier oft für ganz verschiedene Zwecke an, wie Sie sich vorstellen können, aber sie funktioniert natürlich nur, wenn Sie das auch wollen.«
    Sein Gesicht gab ihr die Zustimmung zum Experiment, lange bevor er es sagte. Von nun an bewegte sie sich auf bekanntem Terrain. Mit beruhigenden Worten erklärte sie ihm den Ablauf und die Wirkungsweise der Hypnose, bevor sie begann. Allein durch ihre langsamen, besänftigenden Worte, die suggestiven Wiederholungen, versenkte sie ihn in die Trance, die seinen Geist öffnete für ihre Fragen und allmählich alle anderen Sinneseindrücke ausblendete. »Ihre Glieder werden schwer ... Sie schließen die Augen ... Sie schlafen, Sie schlafen ...« Ein kurzer Test zeigte ihr, dass er soweit war. Behutsam führte sie ihn zurück in die Zeit, als er an der É́cole Polytechnique studierte, zu seiner Reise in die Berge und Schluchten des Jura. »Sie und Lorenzo und die andern befinden sich im Jura. Sie steigen im Hotel ab. Wo befindet sich das Hotel?«
    Er antwortete ohne Zögern. »Saignelégier.«
    »Wohnen Sie die ganze Zeit dort?«
    »Nein – zuerst und am Schluss.«
    »Und dazwischen? In einem andern Hotel?«
    »Ja, an einem Fluss, im Tal.«
    »Ist das in der Nähe von Saignelégier?«
    »Ich glaube schon.«
    Er hatte sich diesen Ort offensichtlich nicht gemerkt. Sie bohrte nicht weiter. Immerhin wusste sie jetzt ziemlich genau, wo sich die Männer aufgehalten hatten. »Am ersten Ort, in Saignelégier, arbeiten Sie da?«
    »Ja, den ganzen Tag, manchmal nachts. Es ist anstrengender, als wir uns vorgestellt haben.«
    »Sie und Lorenzo?«
    »Ja, und die andern.«
    »Wer sind die andern?«
    Er überlegte kurz, dann zählte er langsam die Namen seiner Kommilitonen auf. Neun Namen, an die er sich erinnerte. Michel und seine vier Freunde waren auch dabei, stellte sie mit Befriedigung fest. Ebenso die zwei weiteren Männer, mit denen sie sich verabredet hatte. Bis jetzt deutete alles darauf hin, dass ihre Hypothese stimmen könnte. Die wichtigsten Fragen allerdings musste sie ihm noch stellen:
    »Sie sind an der Arbeit in Saignelégier. Erklären Sie mir bitte, was Sie da tun.«
    Wie aus der Pistole geschossen berichtete er von Untersuchungen der symbiotischen

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