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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Schreibtisch aus und erklärte ihm den Zusammenhang.
    »Sie glauben, diese Leute könnten auch betroffen sein?«
    Sie nickte. »Einige zumindest, nehme ich an. Ich möchte sie befragen, vielleicht redet der eine oder andere mit mir.«
    Er schob die Brille hoch, nahm ein Foto, betrachtete es eingehend, dann griff er zum nächsten. Als er fertig war, lagen zwei Häufchen vor ihm. »Diese hier kenne ich nicht«, sagte er, auf das linke Häufchen zeigend. »Aber an die andern Gesichter glaube ich wenigstens mich zu erinnern.«
    Ihr Herz hüpfte vor Freude. »Schreiben Sie die Namen einfach auf die Rückseite«, bat sie aufgeregt.
    Drei, vier Gesichter hatte er schnell identifiziert. Beim nächsten stutzte er. »Bei ihm bin ich mir nicht mehr sicher«, murmelte er und setzte sich an den Computer. »Vielleicht haben wir sein Bild in den Unterlagen.«
    Sie konnte nicht mehr ruhig sitzenbleiben, stand auf und begann, ungeduldig im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie stand schon zum dritten Mal am Fenster, als er endlich wieder den Mund aufmachte:
    »Da haben wir ihn ja. Ich habe ihn verwechselt, aber hier ist er.« Er schrieb den Namen aufs Foto. Dann fügte er etwas hinzu, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ: »Schon auffallend. Der Mann hat offenbar am gleichen Feldeinsatz teilgenommen wie Michel und die andern, wenn ich mich recht erinnere.«
    Sie war gleichzeitig so schockiert und unendlich erleichtert, dass sie nicht nachhakte. Sie wollte nur noch so schnell wie möglich mit den Leuten Kontakt aufnehmen. Immerhin hatte Haegler nun ein halbes Dutzend Kandidaten ermittelt.
Hôpital Pitié-Salpêtrière, Paris
    Durch die halb offene Tür hörte Leo, wie sich die schnellen Schritte entfernten. Seit der peinlichen Story im ›Parisien‹ vermied Charlotte jeden Kontakt mit ihr, selbst für das freundliche »Gute Nacht« reichte es nicht mehr. Sie verdrängte die bitteren Gedanken, machte ihren Kopf frei für die wichtigste Sitzung des Tages. Der Besucher würde jeden Augenblick eintreffen. Kein Patient, sondern der Erste der drei Männer, die sich bereit erklärt hatten, mit ihr über ihre Zeit mit Michel zu reden. Wie auf Nadeln wartete sie auf den erlösenden Anruf vom Empfang. Sollte er es sich anders überlegen, sanken ihre Chancen auf Aufklärung um ein Drittel. Das durfte nicht geschehen. Endlich, der Summer.
    »Monsieur Pollini ist hier für Sie.«
    Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Sie eilte zum Empfang, um Ihren Gast zu begrüßen. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich Zeit nehmen für meine etwas ungewöhnliche Bitte«, sagte sie, als sie ins Behandlungszimmer traten. »Ich habe Sie hergebeten, weil wir hier garantiert nicht gestört werden.« Sie schloss die Tür ab und schaltete die rote Lampe ein, die jedermann draußen warnte, dass eine Sitzung im Gange war. Wenn diese Anzeige leuchtete wussten alle, dass keine Unterbrechung geduldet wurde, genauso wie niemand Chirurgen bei der Arbeit stören durfte.
    Pollini setzte sich auf die äußerste Kante des Stuhls, den sie ihm anbot, als wäre er auf dem Sprung, gleich wieder zu verschwinden. »Ich will offen zu Ihnen sein. Ich bin eigentlich nur wegen Lorenzo hier, Lorenzo Ricci.«
    »Das erste Opfer, ich weiß«, antwortete sie und fragte mitfühlend: »Waren Sie befreundet?«
    Er nickte nachdenklich. »Ja, mit Michel hatte ich keinen engen Kontakt. Sie erwähnten neue Erkenntnisse über die Hintergründe der Todesfälle?«
    »So ist es, und ich glaube, mit Ihrer Hilfe noch mehr Licht in die traurige Angelegenheit zu bringen. Ich will auch offen zu Ihnen sein, Monsieur Pollini. Es gibt starke Indizien, dass die Todesfälle direkt mit der Wirkung eines, noch unbekannten, Psychopharmakons zusammenhängen.« Während sie ihre Erkenntnisse zusammenfasste, veränderte sich seine Haltung. Er saß nun weniger angespannt auf dem Stuhl und hörte aufmerksam zu. Aus dem unbeteiligten Zeugen wurde ein Betroffener. Auch wenn sie ihren Verdacht nicht aussprach, begriff er sofort, was die Geschichte für ihn bedeutete. Er musterte sie eine Weile mit einer Mischung aus Abscheu und Furcht, nachdem sie geendet hatte. Dann fragte er unsicher:
    »Und Sie glauben, ich sei ebenfalls ...?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, aber mit Ihrer Hilfe werden wir es herausfinden.«
    »Wenn Sie nicht eine renommierte Ärztin wären, wäre das nichts weiter als ein Hirngespinst für mich«, sagte er kopfschüttelnd. »Aber so machen Sie mir richtig Angst.«
    »Das war

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