Natürliche Selektion (German Edition)
Abfälle eignen. Der Berg ist durchlöchert, ein riesiges Felslabor. Interessant ist vor allem die Opalinuston-Formation ...«
»Was du nicht alles interessant findest«, unterbrach sie ungeduldig. »Und was sagt mir das alles?«
»Würde ich dir gerne sagen, aber du lässt mich ja nicht ausreden.«
»Sag einfach, was du gefunden hast, dann lass ich dich in Ruhe.«
»Diesem Angebot kann ich nicht widerstehen. Also, sperr die Ohren auf. Es gibt zwar keinen Hinweis auf die Kammer, aber mir ist etwas an diesem Projekt aufgefallen. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten, aber das Bauchgefühl ...«
»Mein Gott«, seufzte sie. »Nun red schon!«
»... sagt mir, dass einer der Vertragspartner nicht ins Bild passt«, fuhr er ungerührt weiter. »An diesem Projekt sind Dutzende von Universitäten beteiligt und alles, was im Energiesektor Rang und Namen hat, was durchaus Sinn macht. Aber nun rate mal, wer auch noch mitmischt.«
»Ich werde gleich wahnsinnig!«, stöhnte sie.
»Brauchst du nicht, aber es ist doch schon eigenartig, dass ein Pharmakonzern wie Remedis in dieses Geologieprojekt investiert.«
Als sie den Namen Remedis wiederholte, sprang Leo vom Sofa auf und eilte herbei. Audrey drückte die Freisprechtaste und antwortete: »Warum überrascht mich das nicht? Es könnte durchaus sein, dass Remedis diese Kammer betrieben hat, nicht die Klinik, oder beides.«
»Hallo Isaac«, rief Leo dazwischen. »Haben Sie herausgefunden, wen wir bei denen kontaktieren können?«
»Bonsoir Madame. Nein, leider nicht, keine Ahnung. In den Unterlagen stehen nur anonyme Firmenadressen – und natürlich die Namen der Projektleitung.«
»Dauert zu lange, über die einzusteigen«, wehrte Audrey ab. »Wir werden uns schon etwas einfallen lassen.« Bevor ihre Mutter weiter fragen konnte, beendete sie das Gespräch.
»Und kannst du mir sagen, wie du das anstellen willst?«, fragte Leo unwirsch.
»Ich glaube, da könnte uns die schöne Tochter der Wirtin weiterhelfen.« Sie suchte das Fenster auf dem Bildschirm, das ihr beim Stöbern in Isaacs Beilagen aufgefallen war. »Da ist es, schau mal!« Sie zeigte auf das Foto einer Menschenmenge in einer Art Vorhölle, wo Rauchschwaden an feuerroten Wänden empor waberten und giftig grüne Laserblitze durch die Nacht zuckten. Darunter stand: »Soirées Electro à St- Ursanne, Mont Terri Productions.«
»Eine Disco!«, rief Leo überrascht. »Hier, in diesem verschlafenen Nest?«
Audrey grinste. »Die Herren Geologen fühlen sich sicher oft einsam im Berg. Und das zieht doch die jungen Mädchen an, nicht wahr?«
Leo stand schon an der Tür. »Fragen wir sie«, sagte sie entschlossen und öffnete, doch Audrey hielt sie zurück.
»Besser, wenn ich allein mit ihr rede, so von Mädchen zu Mädchen, was meinst du?«
»Mädchen«, schnaubte Leo verächtlich. »Ich gehöre also zum alten Eisen, wie?«
»Das hast du gesagt. Obwohl – wenn ich es mir überlege, würdest du ganz gut in diese Disco passen. Es ist nämlich eine alte Fabrik.« Sie schlüpfte hastig durch den Türspalt, bevor sie die Hand ihrer Mutter erwischte.
Die junge Meta hieß in Wirklichkeit Christine. Audrey fand sie in der Bar, wo sie abends die dekorative Bardame darstellte. Der Zeitpunkt war gut. Es gab nur wenige Gäste, sie saß allein am Tresen. Sie nippte an ihrem ›Cuba libre‹, dann begann sie die Fragestunde mit der Bemerkung: »Nicht viel los hier am Abend, oder?«
»Kommt darauf an, was man sucht«, lächelte Christine etwas altklug. »Die Stammtische in den Kneipen sind um diese Zeit immer gut besetzt.«
»Nicht gerade, was wir uns als Unterhaltung vorstellen.«
»Da haben Sie recht.«
Audrey brauchte sich nicht sonderlich anzustrengen, bis sie mehr über Christines Befindlichkeit wusste, als sie wissen wollte. Wie sie gehofft hatte, kannte sich die Schöne sehr gut aus im einzigen Schuppen der Umgebung, der die Jungen anzuziehen vermochte. ›Les Fours à Chaux‹ hieß der Laden. Es war offenbar das kulturelle Zentrum in der Gegend, eine stillgelegte Kalkbrennerei, wo früher Kalkstein aus dem Jura zu Calciumoxid verarbeitet wurde, mit dem man Mörtel und Farben herstellte. Ausstellungen, Multimedia-Installationen fanden dort ebenso statt wie die regelmäßigen Gastspiele bekannter Discjockeys.
»Die Soirées MTP dort sind echt cool«, schwärmte Christine.
Audrey schaltete schnell. »MTP, Mont Terri Productions?«
»Ja, das sind jedes Mal Megaereignisse.«
»Wo finde ich diese Fours à
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