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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Stelle interessierte, war aber das auffällige Mosaik kreisrunder Deckel, als hätte man dort dutzende Röhren in den Fels getrieben. Es waren tatsächlich Verschlüsse, wie sie an den Handgriffen für die Öffnung feststellte. Sie winkte ihre Mutter heran und fragte: »Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
    Leo betrachtete die Deckel misstrauisch, wischte einen mit ihrem Taschentuch ab, dann schüttelte sie den Kopf. »Kein Sichtfenster, nichts mehr angeschrieben. Ich weiß nicht. Es sieht aus wie Sicherheitsbehälter für besonders gefährliche Substanzen, vielleicht radioaktive Chemikalien oder so etwas.«
    Inzwischen schaute ihnen Greg über die Schulter. Beim Wort radioaktiv entschlüpfte ihm wieder ein leiser Fluch. Er zog hastig einen Stift aus der Brusttasche. »Dosimeter, gehört zur Ausrüstung«, murmelte er während er ihn prüfend anschaute. Er hielt das Gerät vorsichtig an die Deckel, aber die Anzeige änderte sich nicht. »Keine Strahlung«, brummte er erleichtert. Er schob Audrey sanft zur Seite, als sie versuchte, das Schloss zu öffnen. »Zurücktreten bitte. Lass mich das machen. Wer weiß, was uns da an den Kopf springt.« Bei seinem ersten Versuch bewegte sich der in den Deckel eingelassene Kreuzgriff keinen Millimeter. Er musste seine ganze Kraft einsetzen, um den verkrümmten Verschluss zu öffnen. Der Deckel schwang zur Seite. Es klickte. Ein schmales Gestell schob sich eine Handbreit aus der Röhre. Greg prüfte nochmals sein Dosimeter, dann zog er das Gestell behutsam Zentimeter um Zentimeter aus der Wand. Es war eine Metallschiene mit aufgesetzten Halterungen für kleine Flaschen und Reagenzgläser. Und sie waren alle leer, bis die Schiene ganz ausgezogen war. Zuhinterst steckte eine versiegelte Glasflasche. Bevor sie jemand daran hindern konnte, hatte Leo die Flasche mit ihrem Taschentuch ergriffen und schaute sich den Inhalt an.
    »Pass auf!«, rief Audrey erschrocken. Sie sah, wie die Hand ihrer Mutter zu zittern begann, ergriff die Flasche und stellte sie rasch zurück. Leos Gesicht war blutleer. Mit aufgerissenen Augen starrte sie auf das unscheinbare Fläschchen. Audrey stellte sich vor sie hin und packte sie an der Schulter, als wollte sie ihre Mutter wachrütteln. »Was hast du?«
    Leo war weit weg mit ihren Gedanken. Wie in Trance murmelte sie: »Hier haben sie es getan.«
    »Wer, was haben sie getan?«
    Leos Augen fokussierten langsam auf ihr Gesicht. Plötzlich schrie sie sie an: »Verstehst du denn nicht? Die Flasche ...« Ihre Stimme versagte. Sie würgte ein paar Mal, bevor sie weitersprechen konnte. »Die Kruste in dieser Flasche, die wie eine harmlose Flechte aussieht – genau die gleiche Substanz hat man in den Gehirnen der vier Toten gefunden. Audrey, hier haben sie Michel dieses – Monster – eingepflanzt! Das Monster, das ihn auch umgebracht hätte, wäre er nicht wegen Patricks Krankheit hinterrücks erschossen worden!«
    »Shite«, war Gregs einziger Kommentar. Er verstand Leos Zornesausbruch offensichtlich nicht. Er kam auch nicht mehr dazu, nachzufragen, denn in diesem Augenblick ging das Licht aus. »Was zum Teufel«, rief er ärgerlich ins Dunkel. Audrey hörte ihn an seiner Ausrüstung hantieren, dann plötzlich blendete sie der Strahl seiner Grubenlampe. »Wartet hier, ich sehe nach. Rührt euch nicht vom Fleck!«, sagte er, und ließ sie in der Finsternis zurück.
    »Wir sind in der Kammer. Ich kann’s nicht fassen«, murmelte Leo, als hätte sie den Stromausfall nicht bemerkt.
    Audrey schaute dem rasch schwächer werdenden Lichtschein von Gregs Lampe nach und antwortete mit einer Frage: »Hast du gesehen, was auf der Etikette steht?« Wichtig war schon, dass die Flasche überhaupt angeschrieben war. Das bedeutete Information. Für sie war klar: der Inhalt dieser Röhren würde umgehend ins Labor nach Lyon wandern, sobald sie aus dieser verfluchten Kammer raus wären.
    Leo schwieg. Plötzlich zerriss eine gewaltige Detonation die Stille. Donner grollte, hundertfach wiederholt und zurückgeworfen im weitverzweigten Labyrinth der Tunnels und Höhlen. Felsen barsten, krachten aufeinander. Die Erde zitterte. Es war, als stürzte der Berg über ihren Köpfen ein. Sie sahen nichts, aber sie spürten die Staubwolke auf sie zurasen. Die Druckwelle riss sie zu Boden. Audrey schrie auf, als ihr Kopf hart auf Metall prallte. Die Ohren schmerzten. Staub und Dreck füllten Mund und Nase. Sie schnappte nach Luft wie eine Ertrinkende und drohte, das Bewusstsein zu

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